Mein Mutiger Engel
erregend aus als zuvor." Wahrscheinlich redete er zu viel, aber er konnte einfach nicht schweigen, solange sie nichts sagte.
Sie ließ sich gehorsam am Tisch nieder und brachte endlich ein schwaches Lächeln zustande. "Ja. Ich habe etwas zu essen und zu trinken mitgebracht sowie saubere Bettwäsche." Vorsichtig berührte sie die wunden Stellen an seinen Handgelenken. "Außerdem Verbandszeug und einen Tiegel von meiner selbst gemachten Salbe. Das muss ja fürchterlich brennen. Wenn Sie Ihre Ärmel hochkrempeln, werde ich Sie jetzt gleich verbinden."
Zuerst wollte er ablehnen. Es ging doch nicht an, dass sie seine Wunden versorgte! Andererseits musste sie ohnehin die Nacht hier verbringen, komme, was da wolle, und sie schien sich wohler zu fühlen, wenn sie etwas zu tun hatte. Also kam er ihrer Bitte nach.
"Oh!", entfuhr es ihr, als sie die Wunden sah, aber zu seinem Erstaunen klang ihr Ausruf mitfühlend und nicht etwa angewidert. "Mit welchem Recht legt man Ihnen so schwere, enge Handschellen an! Das ist grausam." Sie schraubte den Deckel eines Tiegels auf, der eine fettige grüne Salbe enthielt. Diese strich sie sanft auf seine Handgelenke, und da durchfuhr ihn wieder dasselbe Prickeln wie in der Kapelle, als er ihre Hand genommen hatte. Unwillkürlich zuckte er zurück. "Hat das gebrannt? Verzeihung", sagte sie. "Dieses Mittel enthält hauptsächlich Salbei, Vogelmiere und Heilziest, aber ich habe auch Thymian darunter gemischt."
"Welche Wirkung hat Thymian? Ich dachte, er sei ein Suppenkraut."
"Das stimmt, aber ich verwende ihn gerne für alle möglichen Hausmittel, wegen seines Dufts. Er soll angeblich gut gegen Mutlosigkeit und Albträume sein."
"Dann kommt er wie gerufen."
Auf diese Bemerkung hin sah sie ihm direkt in die Augen. "Ich glaube nicht, dass es Ihnen an Mut fehlt, Mr. Lydgate. Oder plagen Sie Albträume? An diesem Ort wäre das nicht weiter verwunderlich", sagte sie ruhig. Dann schlug sie die Augen nieder und konzentrierte sich auf den Verband, den sie gerade um sein rechtes Handgelenk wickelte.
"Nur, wenn ich wach bin", erwiderte er in bemüht leichtem Ton. "Ungestört schlafen kann man hier nämlich selten." Ihre Finger zitterten leicht, während sie das Ende des Verbands feststeckte. "Wollen Sie mich nicht Nicholas nennen – oder Nick? So nennen mich meine Freunde."
"Und wo sind diese Freunde, Nick?"
"In Frankreich."
"Ich verstehe." Da sie nun beide Handgelenke verbunden hatte, legte sie die Salbe wieder in den Korb.
"Wie nennen deine Freunde dich, Katherine?"
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Katherine. Mein Bruder nennt mich Katy, aber das gefällt mir nicht."
"Ich werde dich Kat nennen", erklärte Nick, wobei er einen Finger unter ihr Kinn legte. "Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du mit deinem herzförmigen Gesicht und deinen großen Augen ein wenig an eine Katze erinnerst?"
"Nein." Sie wusste nicht recht, ob sie nun geschmeichelt sein sollte oder nicht. Schließlich beschloss sie, es als Kompliment aufzufassen. "Also schön, du kannst mich Kat nennen."
Er kniff sie spielerisch ins Kinn. "Das steht deinem Gatten zu, Kat." Für diese Bemerkung hätte er sich prompt ohrfeigen können, denn sie schlug rasch die Wimpern nieder, und ihre Hand versteifte sich. Wie konnte er seinen Fehler wiedergutmachen? "Hast du Hunger? Ich muss gestehen, ich schon. Magst du das Essen auftischen, während ich ein wenig aufräume?"
Beinahe hätte er gesagt: während ich das Bett beziehe. Aber ihm fiel rechtzeitig ein, wie taktlos diese Bemerkung wäre.
"Einverstanden." Sie öffnete den Tragekorb – glücklicherweise mit dem Rücken zum Bett. Unterdessen schlug Nick den Deckel des anderen Korbs zurück und entnahm ihm Laken, die nach Lavendel dufteten, und feine, mit Spitzen besetzte Kissenbezüge. Einen Moment lang hielt er sie an seine Wange, um ihre Weichheit und ihren süßen Duft in sich aufzunehmen, dann breitete er sie anstelle der alten rauen Decken über das Bett.
Als er sich umdrehte, hatte Katherine den Tisch fertig gedeckt. Sie beobachtete ihn mit leicht geröteten Wangen, zitterte aber nicht mehr. Plötzlich spürte er, wie sein Blut in Wallung geriet. Verflucht, beherrsche dich gefälligst! Sie ist verängstigt und fühlt sich verloren. Dass sie bemerkt, wie sehr sie mich erregt, hätte gerade noch gefehlt.
"Das sieht aber gut aus." Er hielt ihr einen Stuhl hin, bevor er selbst Platz nahm und nach der Flasche Rotwein und dem Korkenzieher griff. "Du hast ja sogar
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