Mein Mutiger Engel
Gläser mitgebracht."
"Ich muss gestehen, ich möchte ungern von dem Geschirr essen und trinken, das die Gefängnisleitung uns zur Verfügung stellt", bemerkte Katherine lächelnd. "Außerdem habe ich Jenny das Fleisch schon im Voraus aufschneiden lassen, da ich natürlich kein Tranchiermesser mit in deine Zelle nehmen darf." Während sie seinen Teller mit Rinderbraten, Schinken, Hühnchen und ein paar Scheiben Butterbrot füllte, fuhr sie fort: "Lass es dir schmecken, und denke nicht mehr an den Fraß, den du in den vergangenen Tagen bekommen hast."
Wie köstlich die guten, schlichten Gerichte schmeckten! Nick bemühte sich, das Essen nicht hinunterzuschlingen, den Wein, den Katherine ihm ständig nachschenkte, nicht allzu hastig hinunterzustürzen. Als er schließlich Messer und Gabel weglegte und eine weitere Hühnchenkeule bedauernd ablehnte, befürchtete er dennoch, er habe nicht gerade die besten Tischmanieren gezeigt. Aber das schien Katherine, die ein Stück Hühnchen auf ihrem Teller hin- und herschob, nicht zu stören. Er fing ihren Blick auf, während sie gerade einen Schluck Wein trank. "Ich trinke mir Mut an", gestand sie lächelnd. "Hättest du gerne etwas Käse oder ein Stück von Jennys berühmtem Pflaumenkuchen?"
Nick hielt ihr wortlos seinen Teller hin. Nach einer solchen Mahlzeit in Gesellschaft einer solchen Frau wäre er selbst dann zufrieden, wenn er noch heute Nacht im Schlaf sterben müsste. "Hast du es denn nötig, dir Mut anzutrinken?"
"Ja."
"Das wundert mich nicht, nach deinem ersten Eindruck von mir. Ich bin selbst vor meinem eigenen Spiegelbild erschrocken. Wirke ich jetzt immer noch so Furcht einflößend?" Jede andere Frau hätte eine kokette Antwort gegeben, wäre in Schweigen versunken oder hätte sich beeilt, seine Bedenken zu zerstreuen. Katherine hingegen legte den Kopf schief und betrachtete ihn ernst.
"Was empfindet wohl eine jungfräuliche Braut, wenn sie mit ihrem Gatten, den sie seit etwa zwei Stunden kennt, im Schlafzimmer allein gelassen wird?" Mit einer Geste deutete sie an, dass sie keine Antwort auf diese Frage erwartete. "Nein, ich habe mich am Anfang nicht vor dir gefürchtet, und ich fürchte mich auch jetzt nicht vor dir als Mensch. Bei dir fühle ich mich … geborgen."
"Aber du fürchtest dich vor mir als Mann? Ich werde dir nicht wehtun, das verspreche ich dir."
"Selbstverständlich." Sie lächelte verlegen. "Nun denn, möchtest du noch etwas essen? Oder sollen wir die zweite Flasche Wein öffnen?"
Nach ihrer Mahlzeit packten sie gemeinsam die restlichen Speisen wieder in den Korb und ließen nur den Wein auf dem Tisch stehen. Nicholas beobachtete, dass Katherines Blick zwischen dem Bett und ihm hin und herwanderte. Auch ihm fiel es zunehmend schwer, an etwas anderes zu denken.
"Erzähl mir etwas mehr von dir und deiner Familie", forderte er sie plötzlich auf. "Warum helfen deine Verwandten dir nicht aus deiner Klemme?"
"Ich habe nur noch meinen Bruder." Ihre Finger strichen am Stiel ihres Weinglases entlang, eine unbewusst erotische Geste, die Nicholas beinahe von ihrer Erzählung ablenkte. "Unsere Eltern sind vor ein paar Jahren verstorben. Sie haben uns nicht viel hinterlassen, aber mit ein wenig Sparsamkeit könnten wir gut zurechtkommen. Leider neigt Philip zum Trinken und zum Spielen, daher rinnt uns das Geld nur so durch die Finger. Wir mussten alle Dienstboten bis auf John und Jenny entlassen, und die beiden bleiben nur aus Treue bei uns. Vergangenes Jahr hat Philip während meiner Abwesenheit heimlich das Haus und sämtliche Möbel verkauft. Und damit nicht genug: Er hat mich mit einer Lüge dazu gebracht, die Papiere für ein Darlehen über fünftausend Pfund zu unterzeichnen."
"Teufel auch! Dieser verflixte Narr!", rief er, ohne sich für seine Kraftausdrücke zu entschuldigen.
"Ja, allerdings." Sie musste wider Willen schmunzeln. "Eigentlich schulde ich ihm als meinem Bruder und als Familienoberhaupt Respekt, aber ich würde am liebsten auch über ihn fluchen. Verstehst du jetzt, dass mir nichts anderes übrig blieb, als dich zu heiraten oder in den Schuldturm zu kommen?"
"Nein, du hattest keine andere Wahl. Wie konnte dein Bruder dich nur in diese Lage bringen?"
"Nun ja, geschehen ist geschehen. Aber nun musst du mir erzählen, was dich zum Wegelagerer gemacht hat."
In diesem Augenblick beschloss Nick, ihr die Wahrheit zu sagen. "Da gibt es nichts zu erzählen. Ich bin nicht Black Jack Standon. Ich wurde betäubt, betrogen und in eine
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