Mein Offizier und Gentleman
stürzte sie sich darauf, packte ihn, hastete zu den Kämpfenden und ließ mit aller Kraft die fl ache Schaufelseite auf den Kopf des Mannes niedersausen. Verdutzt stieß er einen Fluch aus und sank geschwächt auf die Knie, wobei er Amelia loslassen musste, die sich erstickt röchelnd an den Hals griff und zusammenbrach.
In diesem Augenblick trottete ein Gärtner heran, sicherlich, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er sah Amelia ohnmächtig am Boden liegen und eilte zu ihr. Gleichzeitig kam Lord Staunton, den der Schlag zwar niedergestreckt, aber nicht erledigt hatte, wutschnaubend wieder auf die Füße und wollte sich auf Lucy stürzen, die ihm jedoch drohend ihre Waffe entgegenschwang.
„Zur Hölle mit dir, du Satansweib“, knurrte er, die Zähne gebleckt, „dir werd’ ich’s zeigen! Harcourt will mich um mein Eigentum bringen – jetzt nehme ich ihm seinen kostbarsten Besitz!“
„Bleiben Sie mir vom Leibe!“, schrie Lucy, den Spaten zum Schlag erhoben. „Hilfe, zu Hilfe! Hol doch Hilfe!“
Der Gärtner erfasste endlich die Lage, wandte sich von Amelia ab und schaute einen Moment unentschlossen von einem zum anderen, doch als er sah, dass Staunton sich auf Lucy stürzte, um ihr den Spaten zu entreißen, machte er einen gewaltigen Sprung und landete so schwer auf dem Mann, dass sie beide zu Boden gingen. Ganz kurz wogte der Kampf hin und her, bis es dem kräftigen Arbeiter mit seinem Gewicht gelang, Staunton niederzuhalten, indem er ihm einen Arm erstickend auf die Kehle presste. Schon eilten weitere Helfer herbei. Jack, mit Drew auf den Fersen, kam gerannt und nahm die Lage in Augenschein.
„Gut gemacht, Nat“, lobte er den Gärtnerburschen, „aber jetzt kannst du ihn loslassen. Du hast mir einen großen Dienst erwiesen.“
Drew kniete neben Amelia, die sich langsam von ihrer Ohnmacht erholte. Sie hustete und griff sich abermals an den schmerzenden Hals, dann setzte sie sich auf und sagte heiser: „Er wollte mich erwürgen … Lucy … sie schlug ihm auf den Kopf …“ Dann musste sie abbrechen, da ihr die Stimme versagte.
„Damit ist Ihr Schicksal besiegelt, Staunton“, sagte Drew ernst, während er Amelia half aufzustehen. „Hiermit nehme ich Sie wegen versuchten Mordes an Ihrer Gemahlin fest.“
Staunton wurde gerade von Nat unsanft in die Höhe gezerrt. Er war sichtlich angeschlagen, denn der stämmige Gärtner war hart mit ihm umgegangen.
„Er wollte sich auch auf Miss Lucy stürzen, ich sah es aber rechtzeitig“, erklärte Nat und fügte voller Genugtuung hinzu: „Hab’ ihn niedergeschlagen, Sir! Ich kann beschwören, dass er Lady Staunton erwürgen wollte.“
„Danke, Nat“, sagte Jack. Mit eiskaltem Blick maß er Staunton. „Das dürfte nun genügen, Sir. Für Ihre heutigen Taten werden Sie Ihre gerechte Strafe bekommen! Wir brauchen nicht einmal mehr Collingwoods Aussage.“
„Zur Hölle mit dir!“, röhrte Staunton plötzlich, riss eine Pistole aus seinem Jackett und richtete sie auf Lucy, denn er wusste, Lucys Tod würde Jack stärker treffen, als wenn er ihn tötete. Doch er kam nicht mehr dazu, den Abzug zu drücken. Sein Gesicht färbte sich merkwürdig violett, er stieß einen erstickten Schrei aus und verdrehte die Augen, während er am ganzen Körper konvulsivisch zitterte. Ihm ent fi el die Pistole, die von dem Gärtner geistesgegenwärtig mit dem Fuß fortgestoßen wurde. Noch einmal öffnete er den Mund. „Zur Hölle … zur Hölle mit euch allen …“ Dann fi el er unter Zuckungen zu Boden, seine Augen quollen fast aus den Höhlen, und blutiger Schaum rann aus seinem Mund. Als er sich nicht mehr regte, kniete Jack neben ihm nieder und tastete nach seinem Puls.
„Er ist tot“, sagte er schließlich und stand auf. „Es muss ein Herzanfall gewesen sein, oder der Schlag hat ihn getroffen.“
Amelia, die noch immer ihren schmerzenden Hals umfasst hielt, ging langsam zu der schlaffen Gestalt. Darauf niederschauend murmelte sie: „Sein Arzt mahnte ihn schon des Längeren, unbedingt seine Lebensführung zu ändern, aber er kümmerte sich nicht darum.“
„Vielleicht war der Kampf zu viel für ihn“, sagte Nat ängstlich. „Hab’ ihn ganz ordentlich hergenommen dabei. Aber ich wollt’ ihn doch nicht umbringen, Sir!“
„Du kannst nichts dafür. Er hat es sich selbst zuzuschreiben“, erklärte Drew. „Er war nicht durchtrainiert, und dazu ein ungesunder Lebenswandel … Natürlich muss ein Arzt ihn untersuchen, aber ich denke, wir können
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