Mein perfekter Sommer
gearbeitet, unsere Gespräche bestehen normalerweise aus nichts als zombieartigem Gemurmel am Frühstückstisch.
»Nicht viel …« Ich beiße in eine Gurkenscheibe. »Ach, Moment mal, ich hab da für die Sommerferien einen tollen Praktikumsplatz gefunden, für den ich mich bewerben kann. Bei Earth Now, ihr wisst doch, diese Nonprofitorganisation, von der ich euch erzählt hab? Da sitz ich nur an der Rezeption, nehme die Anrufe entgegen und sortier die Post, aber die bieten tolle Seminare über Umweltschutz und umweltgerechtes Unternehmertum an, die ich besuchen könnte.«
Mom runzelt die Stirn. »Liebling, ich glaube nicht …«
»Meinen Wochenendjob in Dr. Endelsteins Büro kann ich trotzdem behalten«, sage ich noch schnell, um eventuellen Einwänden vorzugreifen. »Die Arbeitszeit kann man sich frei einteilen und auf der Collegebewerbung wird das einen guten Eindruck machen.« Da, das war meisterhaft. Dagegen können sie doch nichts sagen.
Stille. Meine Eltern wechseln bedeutsame Blicke, dann legt Mom die Gabel hin.
»Jenna, wir müssen etwas mit dir besprechen.«
Oh Scheiße. Sie wissen von der Demo, das merk ich schon.
Ich rutsche ein Stück tiefer auf meinem Stuhl und mache
mich auf das Schlimmste gefasst: Enttäuschung, Sorge und noch mehr Appelle, diese ganze Sache doch einfach aufzugeben und die mutwillige Zerstörung des Planeten endlich zu akzeptieren. Doch stattdessen räuspert Dad sich.
»Wir hatten uns gedacht, diesen Sommer etwas anderes auszuprobieren.«
»Was denn?« Ich blinzele, denn ich erwarte immer noch den patentgeschützten »Setz deine Zukunft nicht aufs Spiel«-Vortrag, vielleicht sogar mit der Einlage »Das wird dir noch leidtun, wenn du im Supermarkt Dosen stapeln musst/auf der Straße gelandet bist/ohne Zugang zu Zahnseide im Gefängnis sitzt«.
»Die Firma schickt mich für ein paar Monate nach Übersee, in ihre europäischen Niederlassungen.«
»Das ist … toll?« Ich bin immer noch verwirrt.
»Deshalb habe ich beschlossen, dass wir Großmutter besuchen«, sagt Mom. Sie heftet sich ein strahlendes Lächeln aufs Gesicht und langt nach ihrem Weinglas. »Du weißt ja, dass sie seit der Hüftoperation Probleme hat, und ich hab sogar in der Nähe einen Sommerjob als Lehrerin gefunden.«
Ich zögere, ganz langsam fange ich an zu begreifen. »Hast du ›wir‹ gesagt?« Ich schicke ein stummes Gebet ans Universum, dass ich mich verhört habe, dass sie sich einfach nur versprochen hat, aber zu meinem Entsetzen nickt sie.
Nein. Das geht gar nicht.
»Und was ist mit meinem Praktikum und den Green Teens?«, protestiere ich, denn ich kapiere erst viel zu spät, wie egal ihnen das ist.
Mitfühlend tätschelt Dad meine Hand. »Ich weiß, du hast andere Pläne, aber all diese Sachen kannst du dann im Herbst machen.«
»Kann ich nicht, das Praktikum nicht!« Entsetzt starre ich sie an. Ist ihnen denn nicht klar, dass die Green Teens schon einen ganzen Sommer voller Veranstaltungen geplant haben? Rasend schnell denke ich nach und versuche eine Lösung zu finden. »Ich kann hier bleiben, bei Olivia!«
Mom schüttelt den Kopf. »Das ist viel zu lange, um sich bei Freunden einzuquartieren.«
»Dad?«, sage ich bittend, aber es nützt nichts.
»Ich fürchte, das ist beschlossene Sache. Wir haben eine Familie gefunden, an die wir das Haus untervermieten, es ist also alles in trockenen Tüchern.« Vermutlich ist mir anzusehen, wie entsetzt ich bin, er versucht nämlich, mich zu trösten. »Sieh das doch als Abenteuer! Ich weiß, es ist nicht ideal, aber du kannst eine neue Stadt erkunden und Freunde finden. Es ist doch nur für ein paar Monate.«
Ein paar Monate? Geschlagen sinke ich auf dem Stuhl zusammen. Aber als die Neuigkeit allmählich ganz zu mir durchdringt, merke ich, dass irgendwas nicht ganz stimmt – und da geht es keineswegs nur um die Vernichtung meiner Ferienpläne. Moms Lächeln wirkt allzu angekleistert und Dad stürzt gerade sein zweites Glas Wein runter.
Und dann erinnere ich mich an frühere Ereignisse.
»Wollt ihr …?«, sage ich nervös, aber dann bleiben mir die Worte im Hals stecken.
Mom schaut auf. »Was war das, Schatz?«
Ich zögere, mein ganzer Mut von vorhin verlässt mich. Gegen Rektor Turner zu kämpfen ist ein Klacks im Vergleich zu Fragen wie dieser. »Nichts«, sage ich leise und schiebe den Tofu noch fünf Minuten lang auf meinem Teller hin und her, während sie mir was über all die urgesunden Dinge vorplappern, die ich in Orlando
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