Mein perfekter Sommer
aber sie kann ihr triumphierendes Lachen nicht unterdrücken. »Sumpfgebiet. Merken Sie das jetzt?«
2. Kapitel
Rektor Turners soeben entdeckte Liebe zur Umwelt schließt den Matsch auf seinem zerknitterten Kaufhausanzug nicht mit ein. Sein Vortrag zum Thema Respekt und Autorität dauert ewig, und als wenn das nicht schon langweilig genug wäre, müssen wir auch noch zur Strafe graue Farbe über massenhaft Graffiti klatschen. Als ich endlich unsere Einfahrt hochfahre und meine Fahrradkörbe auspacken kann, ist es schon beinahe Zeit fürs Abendessen.
»Hey, Mom. Tut mir leid, dass ich so spät komme.« Ich schleppe einen Arm voll Leinenbeutel in die blitzende Küche und schütte Tüten mit Linsen und Sojabohnen über den ganzen Tresen. Der Tag, an dem ich verkündete, ich würde nur noch fair gehandelte vegetarische Produkte aus organischem Anbau essen, war auch der Tag, an dem meine Mutter mir vorschlug, meine Lebensmittel selber einzukaufen. Macht mir nichts aus. So bin ich jedenfalls davor gefeit, zufällig etwas zu essen, das von irgendeiner Firma hergestellt wird, die Wanderarbeiter ausbeutet oder ihre Produkte mit chemischen Düngemitteln versetzt.
»Hallo, Schätzchen.« Mom hat sich das Telefon unters Kinn geklemmt und rührt in einem Glaskrug Salatdressing an. Ihr blondes Haar ist zum perfekten Bob geschnitten, sie trägt eine ordentliche graue Hose und eine cremefarbene Seidenbluse. »Erinnere mich daran, den Kabelanbieter zu wechseln.« Sie seufzt, dann reckt sie sich zu mir rüber und gibt mir im Vorbeigehen schnell einen Kuss auf die Stirn. »Die lassen mich jetzt schon ewig in der Warteschleife hängen.« Sie probiert das Dressing, zögert und gibt noch eine Prise Pfeffer hinzu. »Guter Tag?«
»Ganz okay.« Ich mustere sie nervös, denn ich bin mir nicht sicher, ob die Buschtrommeln der Elternvertretung nicht vielleicht schon über unseren Protest berichtet haben. Doch anscheinend habe ich nichts zu befürchten. »Dann mach dich doch vor dem Essen noch schnell frisch, ich hab dein Lieblingsessen gekocht, diesen Tofu-Nuss-Auflauf, dein Vater kommt auch gleich runter.«
»Dad ist zum Essen zu Hause?« Ich gehe rüber ins Esszimmer. Wie üblich ist der Tisch perfekt gedeckt, mit Servietten und silbernem Besteck und einer Vase mit frischen weißen Lilien in der Mitte. Aber wie überhaupt nicht üblich ist für drei gedeckt. Ich zögere. »Und was ist der Anlass?«
»Es gibt keinen Anlass, einfach nur ein schönes gemeinsames Essen.« Sie lächelt mich zerstreut an und packt dann plötzlich den Telefonhörer. »Hallo? Na endlich! Ich möchte mit jemandem über unsere Rechnung sprechen …«
Ich renne nach oben und schlüpfe aus meinen matsch- und farbbespritzten Kleidern. Himmel, ich sollte wirklich
Ersatzklamotten in meinem Spind bereithalten, zusammen mit der restlichen Green-Teen-Ausrüstung: den Eddingstiften, einem mit Leuchtstift markierten Exemplar der Verfassung, der Drahtschere …
Mein Handy vibriert, gerade als ich mich in einen passenden Rock zum Abendessen zwänge, schickt Olivia mir eine SMS.
Na? Hausarrest oder können wir feiern?
So weit, so gut! , tippe ich als Antwort und schrubbe Matsch von meinem Arm. Meine Eltern haben immer noch … Vorbehalte gegenüber meiner Umweltschutz- Phase , wie sie das zu nennen belieben. Die guten Seiten nehmen sie gern mit, zum Beispiel die Preise, die wir kriegen für unser Engagement in der Gemeinde. Sie fanden es ganz klasse, dem Bürgermeister die Hand zu schütteln und sich anhören zu dürfen, welche Vorbildfunktion wir haben. Aber das Übrige? Ich kann Dad nicht mal davon überzeugen, sich für die Fahrt zur Arbeit einer Fahrgemeinschaft anzuschließen. Olivia hat da sehr viel mehr Glück: Ihre Eltern waren in jungen Jahren große Hippieaktivisten und verstehen total, dass es sich lohnt, für die gute Sache ein paar Runden Nachsitzen in Kauf zu nehmen.
Super! Hol dich um 8 ab.
Ich hetz wieder runter und bin gerade auf meinen Platz gerutscht, als Mom das Essen serviert: Tofu für mich und ein saftiger Schmorbraten für sie. Für einen Augenblick gerate ich ins Wanken, ganz benebelt von dem köstlichen Fleischduft. Nein, rufe ich mir in Erinnerung und richte den
Blick auf die nahrhafte Mahlzeit, die vor mir steht. Auch ohne Fleisch gibt es Genuss. Nämlich: Tofu. Lecker.
»Gibt’s was Neues in der Schule, Jenna?«, fragt Dad und reicht mir die Brötchen. Er lockert die Krawatte, müde sieht er aus. In letzter Zeit hat er so hart
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