Mein Seelenauftrag
dem Versuch, einer Zwickmühle zu entkommen, überlegen wir oft lange hin und her. Soll ich meine Arbeitsstelle behalten oder mir eine neue suchen? Ist es besser, an der bestehenden Beziehung zu arbeiten oder einen neuen Partner zu finden? Soll ich umziehen oder bleiben, wo ich bin? Bei all diesen Überlegungen geht es darum, zwischen verschiedenen und oft miteinander konkurrierenden Perspektiven zu wählen – in der steten Hoffnung, unsere Entscheidung möge uns glücklicher machen.
Auf einer tieferen Ebene aber kreist unser Denken um unsere Grundüberzeugungen zum Wesen der Wirklichkeit selbst. Der Verstand kann nicht über den Rand des Tellers schauen, auf den er diese Ansichten – zum Beispiel über Gott, die Welt sowie Wesen und Wert der eigenen Person und anderer Menschen – gelegt hat. Wir bezeichnen diese Grundüberzeugungen als Definitionen der Wirklichkeit .
•
Der Verstand sortiert und speichert alle Erfahrungen eines Menschen. Er ist ein phänomenaler Computer mit einem riesigen Speicher, auch wenn wir angesichts jüngster Probleme mit Vergesslichkeit allmählich vermuten, dass sich die Speicherchips mit der Zeit abnutzen. Wenn ein Erlebnis sehr weit über den bisherigen Erfahrungshorizont und damit den Bereich hinausgeht, in dem ein Mensch sich wohlfühlt, kann der Verstand es aus dem Bewusstsein entfernen, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Diesen Vorgang, bei dem Abwehrmechanismen wie Verdrängung oder Unterdrückung zum Tragen kommen, findet man oft bei Menschen, die bereits in jungen Jahren traumatische Erfahrungen machen mussten und beispielsweise Opfer eines schweren Unfalls, von Gewalt oder Kindesmissbrauch wurden.
In dem köstlichen Spielfilm Dr. Dolittle entdeckt der von Eddie Murphy gespielte Arzt, dass er mit Tieren sprechen kann. Er findet dies – gelinde gesagt – beunruhigend, glaubt aber fest daran, dass die Magnetresonanztomographie die Ursache schon ans Licht bringen wird. Bestürzt muss er feststellen, dass die Untersuchung keinerlei Klärung bringt. Wie sich herausstellt, konnte der Doktor schon als Kind mit Tieren sprechen. Das Problem war nur, dass sein Vater dieses Talent nicht als wertvolle Gabe erachtet, sondern befürchtet hatte, es würde ihn auf dem schnellsten Weg in die Nervenheilanstalt bringen. Er hatte seinem Sohn immer wieder gesagt, er würde sich diese Dinge nur einbilden und sollte sie vergessen. Was der Junge irgendwann auch tat, wenngleich nicht gut genug. So ist das mit dem Verdrängen. Wenn man am wenigsten damit rechnet, tauchen manchmal Dinge auf, als hätten sie einen ganz eigenen Kopf – und vielleicht ist das auch so.
Für unsere Zwecke genügt es zu wissen, dass der Verstand einem enorm leistungsstarken Computer ähnelt, der jedes Programm ausführt, das man installiert. Die bisherige Programmierung wird größtenteils von frühen Konditionierungen bestimmt. Ihre Erziehung sorgt dafür, dass Sie sich von bestimmten Erfahrungen angezogen fühlen und sich an bestimmte Dinge auf eine gewisse Weise erinnern.
Vor einigen Jahren hatten Mary und ich meine Eltern und ein paar Freunde zum Abendessen eingeladen. Auch da ich Einzelkind bin, hat meine Mutter große Freude daran, Geschichten aus meiner Jugend zu erzählen. An jenem Abend erhob ich mich in der festen Überzeugung vom Tisch, dass irgendwo ein Zwillingsbruder von mir existierte, der zwar auf den gleichen Namen hörte, aber eine völlig andere Kindheit hatte als die, an die ich mich erinnerte. So sehr unterschied sich ihre Version der Ereignisse von der meinen. (Vielleicht werde ich meinen »Zwillingsbruder« ja sogar irgendwann kennenlernen …)
Selektive Erinnerung ist nichts Schlechtes. Es ist lediglich ein Prozess, bei dem sich das Ego so an Erfahrungen erinnert und sie so deutet, dass sie seiner Wirklichkeitsdefinition entsprechen. Dem Psychiater und Autor David Hawkins wird die Aussage zugeschrieben, dass Wahrnehmung redigierte Beobachtung sei. Ein wunderbares Beispiel für diese Dynamik ist, wenn sich USM- Studenten mit den ungelösten Problemen in den Beziehungen zu ihren Eltern beschäftigen. Ein junger Mann arbeitete mit dem Glaubenssatz, seine Eltern würden ihn nicht lieben. Zahlreiche Erinnerungen schienen dies zu belegen. Um Einsicht in seinen Prozess zu erlangen, beschloss er, seine Eltern zu seiner Kindheit zu befragen. Eine der Erinnerungen, die er dabei zur Sprache brachte, war die Tatsache, dass sie nie zu seinen Baseballspielen gekommen waren.
»Aber mein
Weitere Kostenlose Bücher