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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
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unangenehmen Vorsitzenden, weil er sehr gescheit ist und aus allen Fächern vieles weiß und Zwischenfragen stellt und oft selbst die Prüfung vornimmt und überhaupt manchmal alles an sich reißt. Und außerdem war er ein Roter, und unsere Schule war mehr schwärzlich. Und ich sitze da und habe zufällig keine Fragen aus der Grammatik befriedigend beantworten können.
    Der Vorsitzende fragt mich, ob ich denn eigentlich weiß, wer dieser Priamus war, der im Text vorkommt.
    Ich habe lange nachgedacht. König Priamus, sagt er, wer war denn das? Und ich habe mir gedacht, es ist ja wurscht, und ich habe zuversichtlich gesagt: Priamus und Thisbe, das Liebespaar auch bei Shakespeare.
    Jetzt war es wieder ganz still, und ein paar Professoren haben sich geräuspert. Und der Vorsitzende schaut mich an mit einem milden Lächeln und fragt, was ich über die Goldene Latinität weiß.
    Ich habe ihn angeschaut mit ehrlichen, treuen Augen.
    Und der Vorsitzende lächelt wieder so mild, und in diesem Moment habe ich gewußt, mir kann nichts passieren, und wie ich aufgestanden bin, höre ich Flüstern, und dann sagt der Lateinprofessor: Sie haben bestanden.
     
    So habe ich erfahren, wie das Politische in unser aller Leben hineinreicht, und es hat mir zwar noch jahrelang leid getan für meinen lieben Deutschprofessor, aber ich bin heute zahlendes Mitglied der SPÖ.

Lebenslauf
für Trixi Danell
     
     
    Das war in einer kalten Winternacht, da bin ich in der Schottenfeldgasse bei der Straßenbahnhaltestelle gestanden mit dem Onkel Ignaz. Es muß am Nachmittag gewesen sein, aber weil Winter war, war es schon finster. Und in der Schottenfeldgasse gibt es keine Straßenbahn. Wir sind vielleicht in der Burggasse gestanden oder in der Lerchenfelder Straße. Und wie wir so stehen und auf die Straßenbahn warten, der Onkel Ignaz und ich, da komme ich mir ganz verloren vor in dem großen Wien. Und ich schwöre mir bei mir selbst, daß ich Wien erobern werde. Daß ich mich eines Tages in Wien so gut auskennen werde wie in Freistadt, und daß mich die Wiener eines Tages alle so gut kennen werden wie die Freistädter. In Freistadt war ich die Tochter vom Doktor Schwaiger. Aber in Wien hat mich niemand gekannt, außer dem Onkel Ignaz und seiner Familie.
    Ich mußte eine berühmte Schauspielerin werden, soviel stand fest. Ich war sehr begabt, und weil alle sagten, daß das kein Beruf ist, sondern nur ein Traum, gerade deshalb mußte ich eine werden. Es gab ja Beweise dafür, daß man eine werden konnte, warum ausgerechnet ich nicht? Ich besonders, mit meinem Talent! Das wußte ja noch niemand, was für ein großes Talent ich war. Ich konnte alles! Auch die eine Augenbraue so fragend hochziehen, wie die Vivien Leigh, was schwer ist, weil die andere Augenbraue dabei ganz ruhig bleiben muß. Das habe ich geübt, und das habe ich dann perfekt beherrscht.
    Je länger ich in den Spiegel geschaut habe, um so mehr ist mir aufgefallen, daß ich der Vivien Leigh ähnlich sehe.
    Ich war vielleicht ein bißchen dicker, aber um die Augen herum konnte man es merken. Ich habe «Vom Winde verweht» noch einmal genau gelesen, wo sie so gut beschrieben ist, und meine Augen waren auch sehr grün, je länger ich mich im Spiegel geprüft habe. Ich habe Fotos von der Vivien Leigh gesammelt und von Laurence Olivier, in den ich ohnehin bereits verliebt war.
    Das war so: Meine Eltern haben mich nach England geschickt zur Familie Soles auf eine Pferdefarm. Aber wie ich dort angekommen bin, hat es keine Pferde gegeben, und ich hätte mit einem Soles-Kind in einem Bett schlafen müssen. Da bin ich per Autostopp geflüchtet und wollte nach London, wo meine ältere Schwester au pair war. Das Ehepaar, das mich im Auto mitgenommen hat, hat gesagt, daß sie mich höchstens zur Polizei bringen, aber nicht nach London, weil es ja sein könnte, daß ich ein runaway bin. Ich habe gesagt, daß ich es bin im positiven Sinn, und ich habe meinen Paß aus der Strumpfhose gezogen und vorgewiesen, und ich habe gesagt, ich gebe ihnen mein ganzes Geld, das mir die Mutti für die Sprachferien mitgegeben hat. Aber sie wollten das Geld nicht nehmen, und so habe ich mich bereit erklärt, daß sie mich zur Polizei bringen. Dort war ein Polizist, der hat mich gefragt, ob ich eine Tasse Tee will. Das ist so in England. Ich habe den Tee getrunken, dann haben die Polizisten telefoniert, und dann hat mich die Mrs. Kruse aufgenommen, und ich habe vier Wochen bei den Kruses in Cobham gewohnt. Meine

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