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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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geschehen ist …« Ich blickte in sein verwirrtes, tränenüberströmtes Gesicht, und mich überkamen die verschiedensten Gefühle. Tiefe Sympathie für ihn, Dankbarkeit und angesichts seiner Reaktion eine Mischung aus Erleichterung und etwas Angst. Krampfhaft überlegte ich mir, wie man das Kind am besten tröstete, und murmelte schließlich verzweifelt: »Alles wird gut, Teddy. Es kommt alles in Ordnung, wirst schon sehen.«
    Teddy wischte sich die Nase am Ärmel seines blauen Sweatshirts ab und schniefte laut.
    »Sei nicht so albern, Teddy«, meinte Grant, ging zu dem Jungen und nahm ihn auf den Arm. »Komm und gib Mami einen Kuss.«
    Grant setzte den Jungen auf meinen Schoß, und ich streichelte ihn verlegen.
    Teddy blickte mich finster an.
    »Teddy!«, ermahnte Grant ihn und warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
    »Macht doch nichts!«, meinte ich müde, denn dass der Junge mich küssen sollte, wollte ich genauso wenig wie er. »Er kann doch auch nichts dafür. Das Ganze ist für uns alle verwirrend.«
    Die anderen Kinder kümmerten sich nicht um die Unterhaltung und plauderten miteinander, Toby hopste dazu auf dem Bett herum und verursachte mir damit Schmerzen an den Brandwunden, bis Schwester Sally hereinkam, um meine Verbände zu wechseln, und meinem Mann nahelegte, die Kinder heimzubringen.
    »Sie sehen erschöpft aus«, meinte Sally, als sie gegangen waren. Sie nahm eines der Kissen weg, und ich legte mich hin, um auszuruhen. »Versuchen Sie zu schlafen. Wer weiß, vielleicht sind Ihre Erinnerungen morgen früh ja wieder da.«
    Ich wollte unbedingt wieder mit dem Arzt sprechen. Ich hatte eine Million Fragen an ihn, aber bei der Erinnerung an Dr.Shakirs faszinierte Miene, als er mich angesehen hatte, schrillten Alarmglocken in mir, und ich kniff die Lippen zusammen und nickte gehorsam. Ich merkte, wie müde ich nach den immensen Schrecken des Tages wirklich war, und schloss die Augen. Eine Weile lag ich da und lauschte den Krankenhausgeräuschen um mich herum. Metallene Handwagen wurden umhergerollt, wurden quietschend geöffnet und geschlossen, gedämpfte Schritte waren zu hören, das Nachtpersonal tauschte mit gesenkter Stimme Neuigkeiten aus, und dann schlief ich ein.
    Und doch schien ich im Nu wieder wachgerüttelt zu werden. Eine andere Schwester beugte sich über mich. Schwester Sallys Dienst musste beendet sein. Verschlafen stützte ich mich auf und trank aus der Tasse, die mir in die Hand gedrückt wurde. Mit halbgeschlossenen Augen nippte ich dankbar von dem Tee und spürte, wie dessen Wärme und Süße mich durchdrangen. Als ich die leere Tasse auf den Nachtkasten stellen wollte, spürte ich den leeren Raum mit der Hand zu spät: Tasse wie Untertasse zerschellten auf dem Boden.
    Mühsam setzte ich mich auf und blickte bestürzt auf die Bescherung. Der Nachtkasten war nicht mehr da, wo er beim Einschlafen gestanden hatte. Er stand nun auf der anderen Bettseite und sah auch anders aus. Durch ein breites Fenster am Ende des Krankenzimmers drang das silberne Licht des frühen Morgens herein. Eines Krankenzimmers mit vier Betten. Ich zählte sie ungläubig. Hatte man mich in der Nacht verlegt?
    In höchster Sorge und zunehmend fassungslos drückte ich mit zitternder Hand lang und fest auf den roten Summer, den ich am Kopfteil meines Bettes entdeckt hatte.
    Ein Krankenpfleger kam hereingestürmt.
    »Miss Taylor, was gibt es?«
    Vor Erstaunen fiel mir die Kinnlade herunter.
    »Sie haben mich Miss Taylor genannt«, hörte ich mich flüstern. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Der Mann, der Sie hergebracht hat, hat Ihren Namen und Ihre Adresse am Halsband Ihres Hundes entdeckt«, erwiderte der Pfleger in beruhigendem Ton. »Wir sollen Ihnen von ihm ausrichten, dass er Ihren Hund einstweilen mit zu sich genommen hat. Er sagte, Sie sollten sich um Frankie keine Sorgen machen, sie sei in guten Händen.«
    Ich spürte die Nässe auf meinem Gesicht und wusste, dass ich weinte, obgleich kein Ton über meine Lippen kam. Der Pfleger tätschelte mir mitfühlend die Hand.
    »Ganz recht, Jessica«, sagte er. »Lassen Sie Ihren Tränen freien Lauf. Vermutlich stehen Sie von dem Blitzschlag immer noch unter Schock. Wissen Sie, Sie haben großes Glück gehabt.«
    Ich nickte, legte den Kopf zurück auf die gestärkten Krankenhauskissen und stieß einen tiefen Seufzer aus. Es war also alles doch nur ein Alptraum gewesen. Ich war vom Blitz getroffen worden, doch der Rest war ein entsetzlicher, beunruhigender Traum

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