Mein ungezähmtes Herz
weißen Wolken. Das Bild in der Mitte, eine hügelige Heidelandschaft mit lebhaften Grüntönen, zog ihn besonders an. Sieben lange Jahre hatte er so etwas nicht mehr gesehen; seltsam, dass es ausgerechnet Bilder waren, die ihm zum ersten Mal das Gefühl gaben, nach Hause gekommen zu sein.
Del riss seinen Blick los und zog den Brief seiner Tanten wieder hervor; vor dem Feuer stehend überflog er ihn noch einmal und versuchte, sich zu erklären, was zum Teufel sie sich dabei gedacht hatten, ihm die Last aufzubürden, eine junge Dame, Tochter eines benachbarten Großgrundbesitzers, nach Humberside zu begleiten.
Vielleicht wollten die lieben Tanten sich als Heiratsvermittlerinnen versuchen.
In diesem Fall musste er sie enttäuschen. In seinem Tross war kein Platz für eine junge Lady, jedenfalls nicht, solange er als Köder für die Schwarze Kobra unterwegs war.
Er war sehr enttäuscht gewesen, als er beim Öffnen der von ihm ausgewählten Briefrolle entdeckte, dass sie nicht das Original enthielt. Doch Wolverstone hatte ihnen deutlich zu verstehen gegeben, wie wichtig die Aufgabe der drei Lockvögel
war, um die Jünger der Sekte und am Ende auch das Oberhaupt aus der Deckung zu holen.
Sie sollten die Schwarze Kobra dazu bringen zuzuschlagen, und dafür mussten sie ihre Helfer so weit dezimieren, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als persönlich einzugreifen.
Keine leichte Aufgabe, doch nüchtern betrachtet mit vereinten Kräften durchaus zu schaffen. Allerdings wollte er als Provokateur, der bewusst Anschläge auf sich ziehen sollte, keine fremde junge Dame am Arm hängen haben.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach Dels Gedankengang, und er rief laut: »Herein!«
Es war Cobby.
»Ich dachte, Sie würden meine Neuigkeiten erfahren wollen.« Die Hand am Knauf blieb Dels Bursche an der Tür stehen, die er hinter sich zugezogen hatte.
»Ich bin zum Hafen zurückgegangen und hab mich umgehört. Ferrar ist vor über einer Woche angekommen. Interessanterweise hatte er keinen Schwarm von Bewunderern um sich gehabt – anscheinend hatte die Fregatte nur noch Platz für ihn und seinen persönlichen Diener.«
Del zog die Augenbrauen hoch.
»Das ist wirklich interessant, aber sicher kommen seine Leute mit anderen Schiffen nach.«
Cobby nickte.
»Das ist anzunehmen. Doch das heißt, dass er augenblicklich wohl nicht allzu viele Männer zur Verfügung hat. Und die Drecksarbeit womöglich selbst erledigen muss.« Cobby grinste hämisch.
»Ist das nicht eine Schande?«
Del lächelte in sich hinein.
»Hoffen wir das Beste.«
Mit einem Nicken verabschiedete er Cobby, der abtrat und die Tür wieder schloss.
Del schaute auf die Uhr, die auf der Anrichte vor sich hin tickte. Es war schon nach drei, und das bisschen Tageslicht, das es noch gab, würde bald verschwunden sein. Er begann, vor dem Kamin auf und ab zu laufen und sich ein paar passende Worte zurechtzulegen, um Miss Duncannon begreiflich zu machen, dass sie, anders als seine Tanten es vorgesehen hatten, allein nach Norden reisen musste.
Erst weit nach vier Uhr hörte Del, der immer ungeduldiger geworden war, im Foyer eine angenehme, wenn auch etwas arrogante weibliche Stimme, die Miss Duncannons Rückkehr ankündigte.
In dem Moment, in dem er den Blick auf die Tür richtete, drehte sich der Knauf, und sie schwang auf. Bowden hielt sie offen, um eine nicht mehr ganz so junge Dame in einem leuchtend roten Umhang einzulassen, die das kastanienbraune Haar hochgesteckt und unter einem kecken Hut verborgen hatte und sich mit einer Fülle von Schachteln und Päckchen an ihm vorbeizwängte.
Als sie mit strahlenden Augen, ein Lächeln auf dem vollen roten Mund, ins Zimmer rauschte, meldete Bowden eilig:
»Ich glaube, das ist der Gentleman, auf den Sie gewartet haben, Miss.«
Die Dame blieb abrupt stehen und alle Freude wich aus ihrem Gesicht. Dann sah sie sich um, entdeckte Del und ließ den Blick langsam an ihm hochgleiten, bis sie ihm ins Gesicht schaute.
Dann starrte sie ihn einfach nur an.
Mit einem Räuspern zog Bowden sich zurück und schloss die Tür. Miss Duncannon kniff die Augen zusammen, starrte wieder und fragte dann unverblümt:
» Sie sind Colonel Delborough?«
Del biss sich auf die Zunge, um sich die Frage »Und Sie sind Miss Duncannon?« zu verkneifen. Auf den ersten Blick hatte er gesehen, dass er es nicht mit einem netten Fräulein zu tun bekam; die Lady schien beinahe dreißig zu sein.
Allerdings war es ihm, so wie sie aussah, völlig
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