Mein ungezähmtes Herz
besser geworden.
Er hatte nicht viel erreicht. An keiner seiner Stationen war ihm irgendjemand begegnet, dem er sich hätte anvertrauen können, und auch Tony und Gervase hatten keine Sektenmitglieder gesehen, obwohl sie sicher waren, dass er von mindestens drei Engländern verfolgt worden war, die als Team arbeiteten – ihn aber, statt einen direkten Angriff zu wagen, lediglich beschatteten.
Trotzdem wollte er nach den Erfahrungen der gestrigen Nacht etwas Gefährlicheres als seinen Spazierstock dabeihaben, wenn er wieder mit Deliah den Lockvogel spielte.
Mit seinem Stockdegen fühlte er sich wesentlich sicherer.
Tony und Gervase waren draußen geblieben und warteten
an der Straßenecke. Obwohl Del bewusst gewesen war, dass die beiden ihn nicht aus den Augen ließen, hatte selbst er sie nicht immer entdecken können.
Er ging die Treppe hoch zu seinem Zimmer. Er wollte den Spazierstock gegen den Stockdegen tauschen, Deliah abholen und dann mit ihr ins Museum fahren.
Del war noch ein gutes Stück von der Tür zu seinem Zimmer entfernt, als sie sich plötzlich öffnete und der kleine Inder aus Deliahs Haushalt auf den Gang trat. Ohne Del zu bemerken ging er in die andere Richtung davon, wahrscheinlich zur Dienstbotentreppe am Ende des Flurs.
Del zögerte und sah dem Jungen nach, trat dann aber in sein Zimmer.
Cobby war gerade dabei, Hemden zusammenzufalten. Als Del hereinkam, blickte er auf.
»Glück gehabt?«
»Nein.« Del warf ihm den Spazierstock zu, den Cobby geschickt auffing.
»Ich dachte, ich hole lieber den Stockdegen.«
Cobby grinste.
»An der Wand neben der Tür.«
Del sah sich um und schnaubte anerkennend, als er sah, dass der Degen schon auf ihn wartete. Er nahm ihn sich und hielt dann inne.
»Hat Miss Duncannon eine Nachricht geschickt?«
»Nein, seit dem Frühstück habe ich nichts von ihr gesehen oder gehört.«
»Was wollte der Junge dann hier?«
»Sangay? Der hat nur reingeschaut, um zu fragen, ob ich irgendetwas für ihn zu tun hätte – Botengänge oder Ähnliches.
Wahrscheinlich sucht er nur einen Vorwand, um aus dem Haus zu kommen.«
Del blies die Backen auf und nickte. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Stockdegen in seiner Hand.
»Also ab ins Museum, um diese Fanatiker zu ködern. Wünsch uns Glück.«
»Würd ich ja, wenn ich wüsste, was gewünscht wird. Wäre es Ihnen lieber, wenn die Kerle sich zurückhielten und Sie in Frieden ließen, oder möchten Sie, dass sie angreifen und versuchen, Ihnen die Kehle durchzuschneiden?«
»Letzteres.« Del wandte sich zur Tür.
»Im Moment würde ich mich nur zu gern mit dem einen oder anderen Irren anlegen.«
Gern auch mit dreien. Als Del endlich mit Deliah im Museum angelangt war, konnte er es kaum noch erwarten, sich in den Kampf zu stürzen. Doch obwohl ihm dieses Gefühl gut bekannt war, war es noch nie von einer Frau ausgelöst worden. Noch dazu von einer, die sich tadellos benahm.
Dennoch …
Während der kurzen Kutschfahrt zum Montague House hatte er sich schon selbst dafür gescholten, dass er sich absurderweise wünschte, Deliah gehöre zu einem anderen, zarteren Frauentyp – zu der Sorte, die ihre Gefühle offen zeigte. Dann hätte er sie vielleicht besser einschätzen können, doch andererseits hätte sie ihm das Leben wesentlich schwerer gemacht.
Und eigentlich wollte er gar nicht, dass sie sich änderte. Er wollte nur …
Falls Deliah seine Geistesabwesenheit bemerkt hatte, war
sie jedenfalls nicht darauf eingegangen, sondern hatte sich darauf beschränkt, die Sehenswürdigkeiten zu kommentieren, an denen sie auf dem Weg nach Bloomsbury vorüberkamen. Nun stand sie in der Eingangshalle des Museums und studierte eine Tafel, auf der die laufenden Ausstellungen aufgelistet waren.
»Wo sollen wir anfangen? Ich würde gern in die ägyptische Abteilung gehen. Sie soll faszinierend sein.«
»Dann also in die ägyptische Abteilung.« Mit einer Handbewegung ließ Del ihr den Vortritt.
Diskrete Schilder wiesen ihnen den Weg nach oben. Während sie die Treppe hinaufgingen, warf Deliah ihm einen Seitenblick zu und fragte:
»Wie war der Besuch im Hauptquartier?«
Das war das erste Mal, dass sie ihn direkt ansprach – was, wenn er es richtig bedachte, sehr untypisch für sie war. War sie vielleicht doch nicht so locker und unbeeindruckt, wie es den Anschein hatte?
»Ich habe ein paar Freunde getroffen und mich mit ihnen unterhalten, aber das war alles nur Show. Die Schwarze Kobra habe ich nicht einmal
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