Mein Weg zum Herzkind
Marianne kam mit Tyees mittlerer Schwester Martina in einen Freizeitpark in unsere Nähe. Unser Plan war es, die Kinder nach und nach miteinander bekannt zu machen. Und für Marianne war es einfacher, nicht mit allen vier Kindern die Besuche bei Tyee zu machen. So konnte sie sich besser auf ihn einlassen und umgekehrt. Wir trafen uns also zu einem großen »Outdoor-Happening«.
Wir kamen zu sechst. Mein Lebensgefährte und ich, meine Tochter Amadea, mein Sohn Tyee sowie Philine und Hubertus, die Kinder meines Lebensgefährten. Wir sind nämlich eine glückliche Patchworkfamilie, und so gehören alle irgendwie dazu. Zusammen mit Marianne und Martina sorgten wir im Freizeitpark für ordentlichen Trubel. Fünf aufgeweckte Kinder, die gemeinsam den Park erobern wollten. Schnell hatten sich die Kids einander vorgestellt. Sie freuten sich alle über die Begegnung und fanden es spannend, einander kennenzulernen. Wir wollten trotz unserer Besonderheit der Normalität auch ihren Platz gewähren. Und so war es. Die Kinder spielten ausgelassen und wild und genossen den gemeinsamen Tag einfach.
Der kleine Tyee erfreute sich an seiner Marianne, von der er wegen seines jungen Alters noch nicht weiß, wer sie eigentlich ist. Er mag sie, ist immer begeistert sie zu sehen, aber dass er eine Bauch- und eine Herzmama hat, ist ihm jetzt noch nicht klar. Ich möchte ihn nicht überfordern, dennoch finde ich es für alle Beteiligten schön, in jungen Jahren den Kontakt zu pflegen. Wir möchten diese besondere Konstellation so selbstverständlich wie möglich leben. Natürlich funktioniert das auch nur, weil wir alle daran interessiert sind, jeder seinen Platz kennt und wir respektvoll miteinander umgehen. Jede Adoptivfamilie und jede Herkunftsfamilie muss für sich selbst entscheiden, wie weit sie gehen wollen, wie weit sie gehen können, wie weit es gesund und förderlich ist für den Einzelnen.
Die anderen Kinder wissen, dass Marianne Tyees leibliche Mutter ist. Sie wissen, dass er noch Geschwister hat, die bei Marianne leben. Sie wissen aber auch, dass Tyee mich als seine Mutter hat und Amadea seine große Schwester ist, die er liebt und als Vorbild sieht. Für Amadea ist es normal, dass manche Kinder bei ihrer Bauchmama bleiben und andere von einer Herzmama begleitet werden. Wir haben in unserem Freundeskreis natürlich auch einige Kontakte zu Adoptivfamilien, sodass die Kinder das Gefühl haben, nicht alleine zu sein mit ihrer Herkunftsgeschichte. Amadea ist im Übrigen auch vernarrt in Marianne – diese kleine Frau hat so ein großes Herz, und das spüren Kinder. Wie unsere Zukunft aussieht, wissen wir noch nicht, aber wir hoffen, dass wir als Familie weiter wachsen. Wir gehen sorgsam miteinander um. Wir wünschen, dass wir uns Freunde bleiben und die Kinder nie traurig sein müssen, einen Menschen verloren zu haben, sondern wissen, sie haben Familie gewonnen.
Leben mit einem Herzkind
Ich hielt die Hand meiner kleinen dreijährigen Tochter fest. Sie hatte sich ängstlich auf meinen Schoß gesetzt. Die Luft roch nach Krankenhaus. In der Notfallsprechstunde des Klinikums hatte die Schwester uns direkt in den Behandlungsraum durchgeführt. Der Doktor sei unterwegs. Amadea hatte Fieber, sehr hohes Fieber, das in Schüben immer wieder auf über 40 Grad kletterte. Trotz fiebersenkender Mittel bekam ich die Temperatur nicht runter. Das ging nun schon zwei Wochen so. Ich war sehr besorgt. Meine Tochter war schwach und sah mich Hilfe suchend an. Ich wollte ihr so gerne helfen. Es machte mich traurig, sie so zu sehen, und die Angst um sie konnte ich nur schwer verbergen. Jede Mutter weiß, wie schlimm es sich anfühlt sein Kind leiden zu sehen. Wie gerne würde man in solchen Momenten mit dem kleinen Wesen tauschen, ihm die Qualen nehmen. Nachts lag ich neben ihrem Bettchen und schaute sie an. Beobachtete sie. Kontrollierte ihren Atem. Streichelte sie und zeigte ihr, dass ich bei ihr war. Ich wollte sie doch nicht verlieren.
Eine Situation, die so oder ähnlich viele Mütter kennen. Auch wenn mein Kind nicht aus meinem Fleisch und Blut ist, liebe ich sie von ganzem Herzen. Ich sorge und bemühe mich, wie eine Mutter das tut. Meine Tochter ist mein Kind, und ich möchte, dass es ihr an nichts fehlt.
Ein Kind großzuziehen ist eine große Aufgabe. Eine Aufgabe, die viel Liebe, Geduld und Aufmerksamkeit braucht – das ist für alle Eltern gleich. Ich glaube aber, dass Adoptiveltern mehr und anders gefordert sind als leibliche Eltern.
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