Mein wirst du bleiben /
den schwarzen Engeln, die sich um das Haus sammeln. Da war es mir klar. Ich hatte Bücher gelesen, psychiatrische Fachbücher, als das mit Kurt Paschek so schlimm wurde und ich vergeblich nach Antworten darauf gesucht habe, was mit ihm los ist. Ich dachte, ich könne etwas tun, ihm helfen.« Hastig drehte sie sich zu Ehrlinspiel. »Sagen Sie nichts, bitte. Ich weiß. Misshandelte Frauen, die dem Mann helfen wollen, anstatt sich zu trennen und ihn anzuzeigen … Sie müssen es nicht verstehen.«
»Ich sage nichts«, sagte er lächelnd und dachte: Ich verstehe es wirklich nicht. Eine Weile standen sie stumm da, bis er sagte: »Miriam hatte keine schöne Kindheit. Tobias Müller hat von ihrem Vater berichtet.«
»Völlige Gleichgültigkeit, als existierten seine Frau und Tochter nicht. Ich habe die Tagebücher von Ulrich Roth gefunden. Er war auch psychotisch, aber in Behandlung. Ich habe allerdings nur ein paar Zeilen überflogen.«
»Mhm.« Auch er hatte sie gelesen. Nicht geliebt werden, dachte er, ist auch eine Form der Misshandlung. Und dazu eine, gegen die man sich nicht einmal wehren kann. Nur strampeln, betteln, lieb mich doch, ich bin doch dein Kind, schau mich wenigstens an, schenk mir einen Seitenblick, ich bin doch so klein …
»Schizophrenie kann man erben. Und das soziale Umfeld ist wichtig.«
Der Kriminalhauptkommissar nickte.
»Miriam hat denkbar schlechte Vorbedingungen gehabt. Die Mutter trauerte während der Schwangerschaft um ihre Eltern. Es gab Komplikationen bei Miriams Geburt. Steißlage, schließlich Kaiserschnitt. Der Vater, sein späteres Verschwinden, der totale Bezug zur Mutter. Glaubt man den Fachbüchern, so denke ich, dass die Sache mit Thea, also das Koma, und dass Miriam Job, soziale Kontakte und Geld verloren hat, zum endgültigen Ausbruch geführt hat. Die Ursache war es nicht.«
Er gab ihr recht.
»Sie hat nicht einmal verstanden, dass die Mutter tot war. Es war ausgeschlossen für sie.«
»Sie leidet unter einem Beziehungswahn«, sagte Ehrlinspiel. Aber das wollte Sonja Paschek sicher nicht hören. Vielleicht brauchte sie nach allem, was geschehen war, die Illusion, dass wenigstens Miriams Liebe ihr geblieben war.
Ein Radfahrer rauschte vorbei, den Weg Richtung Stadt hinab. Morgen, dachte Ehrlinspiel, morgen packe ich meine Kamera ein und gehe auf Tour. Nur der Sommer und ich.
»Miriam ist kein schlechter Mensch.«
»Aber eine Mörderin.«
»Sie ist im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen. Das sagte die Oberstaatsanwältin mir.«
Er nickte. Psychisch kranke Straftäter wurden in Baden-Württemberg entweder dort oder im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg untergebracht. Lorena hatte die Unterbringung in Emmendingen veranlasst. Schuldfähig war Miriam nicht. Ehrlinspiel wurde jedes Mal von einem Schauder erfasst, wenn er geschlossene psychiatrische Anstalten betrat. Doch die parkähnliche Anlage nördlich von Freiburg mit den alten Gebäuden war ihm sympathischer als die dicken Festungsmauern und -gräben von Hohenasperg, das auf einer Anhöhe bei Ludwigsburg thronte. Was mit Miriam geschehen würde und was Sonja Paschek erwarten konnte, würde die Oberstaatsanwältin entscheiden. Er war froh, dass er diese Urteile nicht fällen musste.
»So viele Menschen mussten wegen mir sterben.«
»Es ist … komplex.« Er konnte ihr die Schuld nicht nehmen. Vor allem nicht die moralische. Also sagte er: »Für den Tod anderer verantwortlich zu sein, das ist schwer. Auch wenn man nichts hätte verhindern können. Gärtner hat mit dem Tod Charlottes gekämpft. Sie kämpfen mit seinem Tod. Und mit Frau Wimmers. Sie werden Ihre Art des Umgangs damit finden.«
»Die unbehausten Seelen. Irrgärten. Wir haben einander gebraucht, Miriam und ich. Beide haben wir Schuld auf uns geladen.« Sie blickte ihn offen an. »Ich werde die Verantwortung übernehmen.«
Er ging zur Tür. Sie gaben sich die Hand.
Als er den schweren Wagen die Serpentinen ins Tal hinunterlenkte, fühlte er sich frei. Er würde den Nachmittag nutzen. Milchlamm und Erbsen kaufen für das neue Bentley-und-Bugatti-Rezept. Seinen Vater anrufen. Und Freitags Garten gießen.
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Eineinhalb Jahre später. Dezember
Ich weiß, was ich getan habe.
Die Unruhe hat sich gelegt. Ich bin nicht mehr verwirrt, und die Dunklen sind aus meinem Leben gewichen. Sie geben mir Neuroleptika. Und manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, diese kleinen glatten Tabletten. Sie reden viel mit mir, erklären mir alles in stundenlanger
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