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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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gefällt. Wenn du auf die Kleinigkeiten achtest, wenn du aufmerksam in die Einkaufskörbe der anderen schaust, kapierst du eine Menge. Mir wird klar, dass ich auch ein Shampoo oder ein Waschmittel hätte nehmen sollen, also irgendwas, das für Mama ist, oder eine Packung Binden, noch besser, denn so ist allzu deutlich, dass es keine Mama gibt. Ich mache es mit den Rasierklingen wieder gut, die an der Kasse hängen. Rasierklingen sind für Papa, weil ich noch keinen Bart habe, auch wenn es mir gefallen würde. Auch wenn der Bart eigentlich zu nichts nütze ist; wenn man ihn hat, muss man ihn sich jeden Morgen abrasieren. Doch er dient dazu, die Männer von den Jungen zu trennen, es ist ein Unterschied, den du im Gesicht trägst, wenn dir der Bart wächst, kannst du auch einkaufen, was du willst. Wenn dir der Bart wächst, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Leute sich darum kümmern, ob du eine Waise oder sonst was bist.
    Zum Glück sind im Supermarkt alle sehr beschäftigt, und niemand schaut in meinen Einkaufskorb.
    Als ich an der Reihe bin, versuche ich, gleichgültig zu tun. Die Kassiererin lächelt mich an, also lächele ich auch.
    Die Kassiererin mit den roten Haaren und dem blauen Lidschatten, der im Neonlicht glänzt, heißt Daniela, das weiß ich, weil sie ein Schildchen mit ihrem Namen auf der Bluse hat. Sie dagegen weiß nichts über mich und lächelt mich weiter mit einem kleinen grünen Blättchen zwischen den Zähnen an.
    Â»Das macht zweiundzwanzigfünfzig, hast du so viel dabei?«
    Â»Natürlich habe ich so viel dabei.«
    Ich stecke meine Sachen in die Tüte, zähle das Restgeld nach und verschwinde in der Menge. Ich stehle mich unter den Leuten mit den Großeinkäufen davon, im nächsten Augenblick bin ich draußen.
    Der Nachmittag draußen ist ähnlich wie alle Nachmittage. Alle wirken ein bisschen nervös, als würden sie Dinge tun, zu denen sie keine Lust haben, als wäre das Vergnügen anderswo und als wollten sie das lästige Einkaufen schnell hinter sich bringen. Beim geringsten Anlass streiten sie sich um einen Parkplatz.
    Nur die Marokkaner, die auf dem Bürgersteig Feuerzeuge verkaufen, scheinen zufrieden mit dem, was sie tun, wenn jemand stehen bleibt, um eines zu kaufen, reiben sie sich die Hände, aber vielleicht nicht aus Zufriedenheit, sondern wegen der Kälte, sie mussten ja die Hände aus den Taschen ziehen. Da ist einer mit halben Handschuhen. Die Finger zur Hälfte draußen, er streckt den Mittelfinger aus und schickt einer mit Schmuck behängten Dame ein Leck-mich hinterher, dann lacht er, und man sieht seinen Goldzahn.
    Auch wenn es nicht mehr regnet, friere ich mir die Nasenspitze ab.
    Mama sagt, dass meine Nase eher aussieht, als hätte man mir eine Frikadelle ins Gesicht gedrückt, also versuche ich daran zu lecken, aber so sehr ich auch übe, ich komme nicht mit der Zunge an die Nasenspitze. Schade, Ciccio schafft es, und ich verliere jedes Mal die Wette. Am besten wäre es, so eine lange Zunge zu haben wie ein Chamäleon und sich wie ein Chamäleon so tarnen zu können, dass niemand dich sieht, stadtgrau zu werden und in der Fassade eines Hauses zu verschwinden, asphaltgrau zu werden und sich in einen Bürgersteig zu verwandeln, himmelgrau zu werden und den Himmel zu bitten, etwas Schönes zu tun, aufzureißen und wieder wolkenlos zu werden.
    Gegenüber vom Supermarkt ist der Laden, wo man Filme leihen kann. Ich will über die Straße gehen, um in die Schaufenster zu schauen; aber Bruce Willis steht als Pappfigur kerzengerade im Eingang, und es ist, als würde Bruce Willis mich schief ansehen, also lasse ich es sein, denn man kann nie wissen, ob er nicht wirklich einen sechsten Sinn hat. Nach dem Filmladen kommt das Geschäft für Jagd und Fischerei. Im Schaufenster sind echte Waffen, um sie zu bekommen, braucht man einen Waffenschein.
    Ich würde nie wieder ein Tier töten. Ich habe es getan, als ich klein war und nicht wusste, was ich da tat. Ich habe es mit Eidechsen gemacht, und noch jetzt bitte ich die Eidechsen um Entschuldigung. Ich frage mich, ob all das, was mir passiert ist, nicht vielleicht einfach nur die Rache einer wegen einem bösen Jungen für nichts gestorbenen Eidechse ist.
    Dann kommt »Intime Geheimnisse«, ein Unterhosengeschäft.
    Ich wünschte, dass mein Geheimnis klein genug wäre, um es in

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