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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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zuhören, doch Mama sagt, dass sie keinen Herrenfriseur kennt.
    Â»Ich habe kein gutes Gefühl dabei, dich einfach zu irgendjemandem zu schicken.«
    Wenn ich nicht aufhöre, sagt sie, ich soll es kurz machen mit dieser alten Leier wegen der Haare.
    Jetzt könnte ich, theoretisch, machen, was ich will.
    Das Problem ist, dass man die Sache in der Schule genauso wie Mama sieht und mir nicht glauben würde, dass Mama plötzlich beschlossen hat, mich in Ruhe zu lassen. Deshalb muss ich mir die Haare schneiden. Wenn ich die Augenbrauen hochziehe, gehen mir die Haare bis in die Augen, das nervt so wie eine Mücke im Ohr; wenn ich den Pony auf die Nase ziehe, reichen die Haare fast bis zur Nasenspitze. Ich muss die Schere suchen und mir die Haare ein bisschen nachschneiden. Weil ich nichts Besseres finde, nehme ich die Nagelschere. Die Locken fallen ins Waschbecken wie haarige Klammern. Ich dünne die Haare hier und da aus, wie es die Friseurin tut, mehr oder weniger. Mir scheint, ich habe es gut gemacht.

11
    Die Scorzetti hat uns die Geschichte von einer Büchse erzählt, in der alles Schlechte ist. Wenn du sie öffnest, kommt es heraus.
    Als sie zwischen den Bänken durchgegangen ist, hat sie mir über den Kopf gestreichelt.
    Das hat sie vorher noch nie getan.
    Ich langweile mich. Es ist eine feine Langeweile, mit dem Nachgeschmack von Orangenmarmelade, die süß schmeckt, aber dann sind bittere Schalen drin.
    Die Schachtel mit Mamas Dokumenten, die, in der sie die Geheimzahl der EC -Karte und ihre Papiere aufbewahrt, steht noch auf der Couch.
    Manchmal bittet Mama mich:
    Â»Bringst du mir die Schachtel mit den Papieren?«
    Es ist eine Schuhschachtel, die an einer Seite ein bisschen eingedrückt ist und mit einem ausgeleierten Gummi.
    Ich will sie aufmachen und dann doch wieder nicht. Es ist, wie wenn man sich die Hände vor die Augen hält, um die Szene eines Films nicht zu sehen, bei der man aus Angst nicht hinschauen kann, und dann spreizt man die Finger, um trotzdem einen Blick zu erhaschen. In der Schachtel habe ich die Geheimnummer der EC -Karte gefunden, aber ich habe sonst nichts gesucht.
    An diesem Abend frage ich mich, ob die Schachtel nicht noch andere Geheimnisse enthält. Ich finde bezahlte Rechnungen, Briefe von der Bank, eine Klammer, die sich mir unter einen Fingernagel schiebt und mich verletzt, Blätter voller Ziffern in Reihen, doch nichts zu entziffern, und überhaupt nichts Außergewöhnliches, vielleicht ist das Außergewöhnliche woanders versteckt.
    Ich lutsche an meinem Finger und frage mich, wo.
    Da ist ein kleines Foto von Mama, viermal das gleiche, eines von denen, die man in den Automaten am Bahnhof macht und dann in Ausweise klebt. Das Foto ist nicht so gut geworden, weil es schwarzweiß ist und weil Mama ein Stück vom Kopf fehlt; wohl wegen dem Hocker, es ist schwierig, ihn auf die richtige Höhe zu stellen.
    Auch Andrea und ich haben im letzten Jahr eins zusammen gemacht und sind nur halb drauf, in unserem Fall von der Nase abwärts.
    Ich nehme das Foto von Mama trotzdem, bevor ich einschlafe, schiebe ich es unters Kissen, neben das Cover von einer Madonna-Platte. Ich lege immer irgendjemanden unters Kissen, normalerweise suche ich mir wen aus, von dem ich gern träumen würde.
    Ich lege viermal Mama drunter.

12
    Es sind fast zwei Wochen vergangen, und alles läuft automatisch weiter.
    In Wahrheit bin ich in der Klemme mit T -Shirts, von denen habe ich keine mehr, und die Socken sind alle gebraucht und die Unterhosen, die ich nicht mehr jeden Morgen wechseln kann. Doch ich drehe sie um, dann halten sie länger, unter den Kleidern sieht man nicht, ob sie schmutzig oder sauber sind.
    Ich müsste eine Maschine mit Wäsche aufsetzen, aber ich weiß nicht, wie das geht. In den Schubladen herrscht Chaos, doch man muss sie nur zumachen, um sich nicht weiter darum zu kümmern. Der Mantel ist voller Katzenhaare.
    Neulich abends habe ich sogar versucht, eine von Mamas Zigaretten zu rauchen, einfach so, um zu sehen, ob es stimmt, dass das so zufrieden macht und man weniger Angst hat und nicht mehr so nervös ist. Es ist gewesen, wie gottverflucht zu sagen, nichts Besonderes, abgesehen von dem bitteren Geschmack im Mund.
    Die Wohnung scheint jedenfalls irgendwie gleich geblieben zu sein.
    Nur auf dem Tisch im Wohnzimmer ist auf einer Seite Staub und auf der anderen glänzendes Holz, da, wo Blu sich normalerweise

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