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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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das Thermometer in den Hintern steckt statt unter die Achseln oder in den Mund wie bei menschlichen Wesen. Mama sagt, dass Phantasieren nichts bringt, weil es nichts Phantastisches gibt.
    Ich esse die Chips, dann blase ich die Tüte auf und lasse sie mit einem lauten Knall zerplatzen, ein Gewehrschuss.
    Blu erschreckt sich, macht einen Buckel und läuft mit schrägen Sprüngen davon. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich es nicht erwarten, dass Montag wird.

7
    Eine grauenhafte Nacht.
    Ich bin kaum richtig eingeschlafen, als Blu wie ein Wahnsinniger zu miauen anfängt. Es scheint mehr ein Heulen als ein Miauen, das beharrliche und herzzerreißende Schreien eines Tiers, das gefoltert wird. Ich stehe auf, um nachzusehen, was los ist, mit panischer Angst, dass es auch Blu schlecht geht.
    Ich schlafe jetzt immer bei eingeschaltetem Licht. Bei mir zu Hause ist es immer hell und immer kalt wie am Nordpol.
    Mit triefenden Augen und ganz benommen schleppe ich mich auf den Flur. Ich sehe Blu vor der Tür von Mamas Zimmer, er will rein, springt auf die Klinke, springt und miaut, kratzt an der Tür, verzweifelt, dass er sie nicht aufkriegt. Ich nehme ihn auf den Arm und trage ihn zurück auf die Couch. Er will nicht dableiben, ich muss ihn an mich drücken, bis ich unter dem Fell sein zierliches Vögelchenskelett fühle, sobald ich ihn nicht mehr festhalte, läuft er zurück, fängt wieder an zu jaulen und wie ein Affe hochzuspringen, mit einer Hartnäckigkeit, zu der nur starrköpfige Katzen fähig sind.
    Ich muss früh aufstehen, aber ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Ich winde mich in meinem Bett, werfe mich von einer Seite auf die andere. Die Decken haben sich mit dem Schlafanzug verwickelt, und ich bin in einer einzigen Zwangsjacke gefangen.
    Heute Morgen bin ich es gewesen, der den Wecker geweckt hat.
    Â»He, Arschgesicht, hast du gedacht, du bist der Einzige, der das kann?«
    Beim Frühstück erkläre ich Blu, dass Mamas Zimmer off limits ist.
    Â»Off limits, è proibito, è pericoloso, hier nix für cats.«
    Solche Sachen, wie sie auf den Schildchen an Zugfenstern stehen, da muss man sich nicht so anstellen.
    Ich sehe übel aus, mein Gesicht ist aufgeweicht, die Maske des braven Jungen kann jeden Moment erschlaffen und in sich zusammenfallen, ein Abziehbild, das sich zwischen den Fingern auflöst. Ich wasche mich mit beiden Händen, klatsche das Wasser auf mich wie Ohrfeigen. In meinem Zimmer ziehe ich mir die Hosen an, diesmal im Sitzen, ich suche zwei zusammenpassende Strümpfe in der Schublade, krame zwischen den Pullovern, stecke Bücher und Hefte in den Rucksack, gehe im Kopf alle Operationen durch, die ich durchführen muss, wie ein Pilot vor dem Start, wie der auf dem Poster, das neben dem Fenster klebt und an einer Seite mit einem total vergilbten Tesastreifen runterhängt.
    Ãœber den Mantel ziehe ich mein zweites Leben an und breche mit einem Spezialauftrag auf.
    Ich bin Dr. Jekyll und Mr Hyde, ein Werwolf, Spiderman oder Phantomas, doch ich habe keine Superkräfte, ich kann nicht die Wände hochklettern, mir ist noch kein Fell gewachsen, ich verwandle mich in nichts Besonderes – nur in einen normalen Jungen mit ordentlich gekämmtem Haar und Büchern ohne Eselsohren.
    Es ist Montagmorgen, und die Geschäfte schlafen noch. Auch die Stadt hat Mühe, die Nacht hinter sich zu lassen, die Rollgitter haben ihre Lider noch über den Schaufenstern niedergeschlagen. Ich gehe langsam, weil ich zu früh dran bin, wie die Alten, die an Schlaflosigkeit leiden und schon am frühen Morgen herumschlurfen, weil sie dann länger zu leben meinen, wie Oma, die irgendwann angefangen hat, mit sich selbst zu reden und sich jedes Mal vorzustellen, wenn sie mich traf.
    Â»Sehr erfreut, ich bin die Frau von Ruggero, du bist der Sohn des Kapitäns, stimmt’s?«
    Oma und ihr Spleen mit den Schiffen.
    Â»Nicht irgendwelche Schiffe, mein Lieber, Dampfer.«
    Â»Ja, ich weiß, Oma, die mit glänzendem Messing wie in der Kirche.«
    Â»Und den gebohnerten Böden, von denen die Abendkleider den Staub wischen.«
    Â»Ja, Oma, genau die.«
    Immer die gleiche Leier mit der Schifffahrt.
    Â»Mama, wer ist denn bloß der Kapitän?«
    Â»Was weiß denn ich? Oma erfindet eine Menge Geschichten. Sie hat sich in eine Operette zurückgezogen und alles andere ausgeschlossen.«
    Sie sagt mir, ich soll es

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