Meine erste Luege
auch für die Leoparden, die Sie am Leib haben. Blu in seiner kleinen Box schob erstaunt die Schnauze zwischen den Stangen durch, neugierig und erschrocken über die Scheinwerfer der Autos und den StraÃenlärm, und hoffte, dass er bald freigelassen würde, wenn schon nicht auf einer Wiese, dann wenigstens bei sich zu Hause. So ist das Kätzchenleben, beklag dich nicht, Blu, schlieÃlich gibtâs welche, denen es schlechter geht.
»Aber der Tierarzt ist sehr tüchtig, oder?«
Ich verstehe, lassen wir es, sonst wird Mama traurig.
Wenn Mama zu traurig wird, bekommt sie Falten auf der Stirn, die so aussehen wie das Muster von Wellen auf so blödem nassem Sand. Aber wenn ihre schlechte Laune vorbei ist, ist es phantastisch. Wir spielen miteinander, tun so, als wären wir Kumpel, kitzeln uns und kämpfen, und bei den Zungenbrechern gewinne ich, bei mir bleibt Blaukraut Blaukraut und Brautkleid Brautkleid, und Fischers Fritz fischt frische Fische, und alle Tiere fliegen hoch, Ziegen, Hühner, Kühe, Leguane und Wasserschweine, hör auf, dir Sorgen zu machen, ich bin da, du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Mama und ich lachen wie die Blöden bis spät in die Nacht. Am nächsten Tag hoffe ich, dass es regnet oder schneit oder ein Tsunami kommt, nur um nicht aufstehen zu müssen. Am Morgen glaube ich, ich bin in Ferien, aber der Wecker klingelt ohne Mitleid, schöner Beschiss. Wenn Mama Albträume hat, sagt sie, dass man in dieser Welt nicht mal in Frieden schlafen kann, und das denke ich dann auch. Andere Male sagt sie, dass die Pillen ihr die Träume geraubt haben, dass der Schlaf nur kohlrabenschwarz war. Sie wird wach und ist ganz durcheinander und weià nicht, wo sie anfangen soll, manchmal macht sie Kaffee ohne Wasser oder ohne Kaffee.
»Sag nichts zu mir, frag mich nichts, ich weià heute Morgen rein gar nichts.«
Wenn ich aufstehe, stehe ich auf, doch in mir drin bleibe ich liegen. Ich laufe herum, doch innen drin bleibe ich schön mollig warm im Schlaf, in der zweiten Haut vom Schlafanzug, die Poren der Haut sind lauter geschlossene kleine Augen, ich träume von einer riesigen guten Hand, die sie mir alle reibt. Ich wärme mich an mir selbst auf, während die Beine sich kribbelnd zu bewegen beginnen, weil ich natürlich spät dran bin.
»Beeil dich.«
Noch so etwas, das die Erwachsenen dauernd sagen.
»Los, beeil dich, beweg dich, wir sind spät dran.«
Sie sind es, die sich beeilen sollten, ich habe ganz viel Zeit, erklärt denen das mal. Aber weil ich schlieÃlich immer aufstehe und alles mache, weià ich auswendig, was ich tun muss, das ist wie bei der Nationalhymne: Fratelli dâItalia, lâItalia sâè desta , ich brauche keinen, der mir vorsagt, wieâs weitergeht.
1
Und so schlage ich mich heute irgendwie durch.
Mama ist nicht aufgestanden, da kann man nichts machen, aber ich stehe auf. Ich mache mich allein fertig.
Es muss wegen der Arznei gegen Neuralgie oder gegen Nostalgie sein, ich weià nicht, manchmal übertreibt Mama und schläft mehr als normal. Narkolepsie oder irgendwas Ãhnliches wie das, was beim Kater im Gehirn passiert, ich sollte den Tierarzt fragen.
Sie sagt, dass die Pillen manchmal komische Wirkungen haben können, aber sie sagt auch, dass ich mir keine Sorgen machen soll, dass alles in Ordnung ist.
»Manchmal fällt es mir schwer aufzustehen, aber das ist normal, wer hat bei dieser Kälte schon Lust, aus der Deckung zu kommen, also aus den Decken, ich meine, raus aus dem Bett?«
Ich muss mich jedenfalls bewegen und nachsehen, ob meine Haare ordentlich sind, bevor ich die Wohnung verlasse. Ich gehe auf Zehenspitzen raus und nehme den Aufzug. Ich grüÃe den vom Stockwerk über uns.
»Gehst du heute allein zur Schule?«
»Ja.«
Die Tasten vom Aufzug flimmern, und mein Herz flimmert auch und hat aus irgendeinem Grund schneller zu schlagen begonnen.
»Ja, heute schon.«
Ich tue so, als wäre ich stolz darauf. Vielleicht bin ich wirklich stolz darauf, alles allein zu machen, aber vielleicht schäme ich mich auch, weil, es würde mir gefallen, in ein Metallicauto von einem tollen Papa mit allen Extras zu steigen. Aber gleichzeitig schäme ich mich, dass ich mich schäme, denn wenn Papa die Fliege gemacht hat, ein anderer Ausdruck von Mama, ist das nicht unsere Schuld, vielleicht hat sie recht, Gefühle sind eine
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