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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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ich.
    Eine halbe Stunde später war der Bus mehr als vollbepackt mit Leuten, und der Fahrer ließ den Motor aufheulen.
    Noch mal eine halbe Stunde später – der Bus beherbergte mittlerweile doppelt so viele Leute wie zu dem Zeitpunkt, an dem ich gedacht hatte, er sei voll, und der Typ mit dem roten Turban schrie mich immer noch durchs Fenster an – verließen wir endlich im Schneckentempo das Flughafengelände.
    »Das ist ja furchtbar«, sagte ich.
    »Was ist furchtbar?« fragte Liz.
    »Na, das hier. Alles.«
    »Was hast du erwartet?« erwiderte sie und starrte mich erbarmungslos an.
    »So geht es hier also immer ab?«
    »Schätze ja.«
    »Dafür sind wir hierhergekommen?«
    »Ja. Das ist Indien.«
    »Mann. Ich glaub's einfach nicht.«
    Ich fühlte mich mit einem Male, als sei mein Magen voller Kieselsteine. Das war alles ein Irrtum. Ich war am falschen Ort gelandet. Ich hatte noch nicht mal was gegessen, aber mir war schon schlecht: von der Hitze, von den Menschenmengen, vor Platzangst – und vor purer, blinder Angst.
    Was um Himmels willen hatte ich da getan? Warum war ich in dieses furchtbare Land gereist? Ich würde es schrecklich finden. Das wußte ich jetzt schon. Es bestand keine Aussicht, daß ich mich da je dran gewöhnen würde. Und nun saß ich hier fest.
    Übel. Echt übel.

J
    Nachdem der Busfahrer uns rausgelassen hatte, machten wir uns gleich auf den Weg zum Ringo Guest House – das klang irgendwie cool. Außerdem war's die erste Absteige, die in unserem Lonely Planet-Führer stand. Von der Bushaltestelle aus waren es nur ein paar Schritte eine Nebenstraße runter.
    Nicht, daß der Weg viel Ähnlichkeit gehabt hätte mit dem, was wir uns so unter einer Straße vorstellen. Das fing schon damit an, daß er nicht geteert war, sondern bloß aus festem Schlamm bestand, mit einer dicken Staubschicht überzogen, aufgelockert durch grüne Pfützen, Abfallhaufen und vereinzelte Kuhfladen. Das Erstaunliche war nur, daß die Leute fast alle in Jesuslatschen rumliefen.
    Als ich mir die Menschen etwas genauer ansah, stellte ich fest, daß sie kein bißchen aussahen wie die Inder in England. Ich meine, es war nicht so, daß sie äußerlich anders aussahen oder daß sie verrückte Klamotten angehabt hätten. Es war irgendwas anderes, das ich nicht benennen konnte, was sie so völlig eigenartig aussehen ließ. Irgendwas an der Art, wie sie sich bewegten, und an ihrem Gesichtsausdruck. Wie auch immer, es machte mir eine Scheißangst. Und wohin ich auch schaute, waren Hunderte von ihnen, die sich gegenseitig anschrien – oder mich: »Nimm Taxi«, »Iß beste Essen«, »Mache Auslandsgespräch zu günstigste Tarif« – und die sich lachend, plappernd, streitend an einem vorbeidrängelten und überhaupt durch die Gegend stolzierten, als würde ihnen der ganze Laden gehören.
    ∗∗∗
    Das Hotel befand sich am Ende einer dunklen, nach oben führenden Treppe und bestand aus ein paar Doppelzimmern, die von einem engen Dachgarten abgingen. Ein Mann, dem seitlich aus dem Hals ein fleischartiger Golfball wuchs, sagte, daß keine Doppelzimmer frei seien und wir mit Betten im Schlafsaal vorliebnehmen müßten. Daraufhin führte er uns über eine Leiter zu einer höher gelegenen Ecke des Dachs, auf dem eine Wellblechhütte errichtet worden war.
    Dadurch, daß Dach und Wände aus Metall waren, wurde der Schlafsaal noch viel mehr zu einem Ofen, als es der Rest dieses Landes sowieso schon war. Der »Saal« war vollgestopft mit Betten, und als sich meine eben noch vom grellen Außenlicht geblendeten Augen an das düstere Rauminnere gewöhnt hatten, konnte ich vereinzelt ein paar deprimiert aussehende Reisende ausmachen, die auf ihren Betten herumlagen. Sie sahen alle so abgemagert und elend aus, daß man fast hätte meinen können, man befände sich in einem Gefängnis. Einige lasen, einer schlief, und ein paar von ihnen lagen einfach nur da und starrten ins Leere.
    Es sah nicht gerade so aus, als ob da ein Haufen Leute mächtig Spaß hatte. Eben erst dem Wahnsinn auf den Straßen entkommen, waren wir auf etwas gestoßen, das noch schlimmer war: eine Stimmung wie im Leichenschauhaus. Obwohl wir bestimmt einige Minuten so dastanden, drehte sich kein einziger von diesen Typen auch nur nach uns um. Was immer mir auch widerfahren würde: So wie die wollte ich nicht enden. Ich wollte nach Hause.
    Als ich versuchte, mir klarzumachen, wie lange ich in Indien festsitzen würde – mir vorzustellen versuchte, wie lange sich drei

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