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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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man hier gut chinesisch essen gehen?« fragte ich.
    Sie sahen mich beide verblüfft an.
    »War 'n Witz.«
    »Oh – ach so«, erwiderte Jeremy. »Na dann.«
    »Was schlägst du vor?« fragte Liz mit spitzen Lippen.
    »Och, da gibt's 'ne ganze Reihe von Restaurants, wo man hingehen kann«, sagte Jeremy. »Ich geh mal davon aus, daß ihr vegetarisch essen wollt.«
    »Klar.«
    »Was?« fragte ich ungläubig. »Du bist doch gar keine Vegetarierin.«
    »Jetzt schon«, erwiderte Liz. »So bleibt man am ehesten gesund. Wenn man das ißt, was die Leute hier auch essen. Einheimische Speisen.«
    »Hast du ihr das erzählt?« wollte ich wissen.
    »Klar. Es ist schließlich allgemein bekannt, daß das Fleisch hier ziemlich ungesund ist. Man braucht sich ja nur anzuschauen, wie es da fliegenübersät vor sich hin gammelt. Natürlich bin ich Vegetarier, schon seit ich fünf bin. Ich hab das Zeug nie runterbekommen, aber es hat mich fünf Jahre gekostet, bis ich endlich den Mut aufbrachte, nein zu sagen. Diese Vorstellung, daß ein anständiges Essen immer mit Fleisch sein muß, ist ziemlich tief in der westlichen Kultur verwurzelt…«
    »Willst du damit sagen, daß das Fleisch hier nicht ganz koscher ist?«
    »Absolut.«
    »Du glaubst also, wenn ich was davon esse, werde ich krank?«
    »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, ja.«
    »Ich glaub's nicht. Ist das dein Ernst?«
    »Natürlich ist das mein Ernst.«
    »Ach komm – du verarschst mich jetzt doch, oder?«
    »Nein, tu ich nicht. Das weiß hier jeder.«
    »Doch. Du verarschst mich.«
    »Hör zu – iß, was du willst. Es ist mir so was von scheißegal. Aber ich trag dich dann nicht ins Krankenhaus.«
     
    Kaum waren wir vor dem Hotel auf die Straße getreten, hing uns wieder das Mädchen von meinem ersten Spaziergang auf der Pelle und zerrte der Reihe nach an unseren Ärmeln. Eine Weile lang sagte niemand etwas.
    Dann wirbelte Jeremy unvermittelt herum, warf ihr einen drohenden Blick zu und schrie ihr ins Gesicht: »NEIN! KEIN BAKSCHISCH!«
    Sie rührte sich nicht.
    »PSSCHHT! PSSCHHT!« zischte er sie an und fuchtelte dabei mit den Armen, damit sie sich endlich trollte, so als sei sie ein etwas minderbemittelter Hund.
    Schließlich packte er sie am Oberarm und schüttelte sie einmal kräftig durch. Ihre Miene blieb weiterhin vollkommen ausdruckslos, und sie bewegte sich nicht von der Stelle.
    »PSSCHHT!« zischte er erneut.
    Dieses Mal gehorchte sie. Wortlos drehte sie sich um und ging wieder an ihren Posten vor dem Hotel zurück.
    Verlegen schweigend liefen wir zu dritt weiter. Ich war völlig geschockt, daß Jeremy wirklich so gefühllos sein konnte. Als er meinem Gesichtsausdruck sah, gab er ein leises Ach-du-bist-so-was-von-naiv-während-ich-ja-so-weise-bin-Lachen von sich und sagte: »Das sind keine echten Bettler, diese Kinder. Du wirst nie einen Inder sehen, der ihnen Geld gibt.«
    »Sah mir aber verdammt nach einer Bettlerin aus. Daß sie besonders gut beieinander war, wirst du ja wohl nicht behaupten wollen.«
    »Die sind doch alle in Banden organisiert, und ihre Anführer knöpfen ihnen dann das ganze Geld ab.«
    »Und die Kinder kriegen überhaupt nichts ab?«
    »Natürlich nicht. Das sind alles Zuhälter.«
    »Und was passiert, wenn sie am Abend ohne Geld dastehen?«
    »Oh, da würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen«, lachte er. »Die machen eine Menge Geld. Da kommt irgend so ein weichherziger Trottel, frisch aus dem Flieger, und drückt ihnen ohne drüber nachzudenken fuffzig Rupien in die Hand, weil sie nämlich einen Dreck über dieses Land wissen. Das ist so viel, wie der Vater eines dieser kleinen Mädchen in einer ganzen Woche ehrlicher Arbeit verdient. Schlimm ist das. Touristen, die so handeln, machen das ganze Wirtschaftsgefüge hier kaputt. Und die Kinder sind einfach wahnsinnig penetrant. Das sollte man echt verbieten.«
    Der Typ war ein Faschist. Ein Hippie-Faschist.
    »Aber so kann man die Leute doch nicht behandeln«, erwiderte ich.
    Jeremy lachte auf. »Es ist die einzige Art, hier zu überleben. Wenn du dir über jeden einzelnen Bettler Gedanken machen würdest, könntest du dir irgendwann die Kugel geben. Du mußt deine westlichen Vorstellungen von materiellem Wohlstand aufgeben und es einfach so handhaben wie die Inder.«
    »Und wie handhaben es die Inder?«
    »Sie ignorieren es.«
    Jeremy machte das Spaß. Er fand wohl, daß er wahnsinnig clever dabei wirkte.
    »Glaub mir«, sagte er, »innerhalb von vierzehn Tagen werden

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