Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
richtig weh tat:
    «Dieser Lausebengel! Da hat er mir doch wieder so eine herumstreunende Katze ins Haus geschleppt! Ksch! Raus mit dir, Katz!»
    «Aber Nanny», rief Peter, «ich bin ja gar keine Katze, ich bin doch dein Peter! Nanny, bitte schlag mich nicht!»
    «Du willst wohl noch frech werden, was?» erboste sich Nanny. «Dann werd ich also den Besen holen müssen.» Sie lief in den Flur hinaus und kam mit dem Besen zurück. «Also los jetzt! Raus mit dir!»
    Peter wurde es eiskalt vor Angst. Er konnte sich nur am Fußende von seinem Bett zusammenkauern und, während Nanny mit dem Besen auf ihn einschlug, immer wieder schreien: «Nanny, Nanny, nicht, bitte nicht! Ach, Nanny!»
    «Ich werd dir schon was miauen!» tobte Nanny, ließ den Besen fallen und packte Peter am Genick, so daß er von ihrer Hand herabhing wie ein toter Hase. Er schlug zwar mit den Vorder- und den Hinterpfoten ; um sich und weinte jämmerlich, aber es half ihm nichts.
    Nanny hielt ihn so weit von sich ab, wie sie nur konnte, und während ;i sie mit ihm durch die Diele lief, brummte sie: «Und wenn ich Peter er- 1 wische, kommt er sofort ohne Abendbrot ins Bett! Wie oft hab ich ihm schon gesagt, daß er mir keine Katzen mehr ins Haus schleppen darf!» !
    Jetzt hatte Nanny die Haustür erreicht, sie riß sie auf, warf Peter in hohem Bogen auf die Straße hinaus und knallte die Tür dann zu.

Die Flucht

    Es war elend kalt und naß draußen in der Gasse, denn seit die Sonne untergegangen war, lag Kälte in der Luft, der Himmel hatte sich bezogen, und der Regen strömte nun in einem alles durchweichenden schweren Wolkenbruch hernieder.
    Als die Haustür hinter ihm zuschlug, stieß Peter in seiner Angst einen so gellenden Jammerschrei aus, daß die Frau, die gegenüber wohnte, zu ihrem Mann sagte: «Du meine Güte, hast du das gehört? Es klang genau so, als heulte da ein Kind.»
    Der Mann schob die Vorhänge auseinander, um hinauszuschauen, und Peter rief — oder glaubte, ihm zuzurufen: «Ach, laßt mich ein, bitte, laßt mich herein! Nanny hat mich au-ausgesperrt!»
    Daraufhin sah Peter, wie der Mann die Vorhänge wieder zuzog, und hörte ihn sagen: «Es ist nur eine von diesen herumstreunenden Katzen, ein großer weißer Kater. Wo die bloß alle herkommen? Man hat ja keine Minute Ruhe bei diesem fortwährenden Miauen und Schreien. Ah, da bist du, Katz! Ksch! Buh! Scher dich weg!»
    Der Junge, der die Abendzeitungen austrug, kam auf seinem Fahrrad vorbei, und als er die Zurufe hörte, mit denen der Mann draußen vor der für eine Katze zu verscheuchen suchte, beschloß er, ihm zu helfen, in ¿er Hoffnung, sich ein Trinkgeld zu verdienen.
    Er fuhr direkt auf Peter zu und rief: «Hui! Weg da, Katz! Oder ich bringe dich auf den Trab!» Dabei beugte er sich von seinem Sattel herunter und schlug Peter mit einer zusammengefalteten Zeitung auf den Rücken. Blindlings rannte Peter vor diesem Angriff davon, und in der nächsten Minute fuhr mit lautem Getöse und Geknatter ein Ungetüm, beinah so groß wie ein Haus, auf Rädern an ihm vorüber und fegte eine Welle schmutziges Wasser hoch, die Peter, als er aus der Gasse auf den Cavendish Square flüchtete, in der Flanke traf und ihm das Fell bis auf die Haut durchnäßte.
    Bisher hatte er noch nicht einmal Zeit gehabt, sich umzuschauen und zu sehen, wie diese Welt eigentlich beschaffen war, in die Nanny ihn so roh und plötzlich hineingeschleudert hatte; jetzt aber stellte er fest, daß sie ganz anders war als jeder Ort, den er kannte, und sie jagte ihm einen gewaltigen Schrecken ein.
    Sie schien nur aus blinden Füßen zu bestehen, die in schweren Stiefeln und in klappernden hohen Stöckelschuhen steckten, aus denen Beine aufragten, die sich in der Finsternis dieser Regennacht verloren; und alle eilten sie hin und her, rücksichtslos und unbekümmert. Ebenso blind, aber noch viel gefährlicher waren die ungeheuer großen Räder, die immer zu zweit, eins hinter dem anderen, vorbeiflitzten, ratterten oder donnerten. Wenn man unter eines dieser Räder geriet, wurde man bestimmt noch platter gequetscht als das Leopardenfell im Wohnzimmer.
    Dabei waren die Füße allein schon gefährlich genug für jemand, der sich in Peters Situation befand, als er da, knapp dreißig Zentimeter hoch, auf allen vieren auf dem nassen, glitzernden Straßenpflaster kauerte. Augenlos und daher unfähig zu sehen, wohin sie traten, kamen die Schuhe aus jeder Richtung angestampft und angetrippelt, und kein Paar im gleichen

Weitere Kostenlose Bücher