Meine kaukasische Schwiegermutter
werden Markensachen von hoher Qualität für wenig Geld angeboten. Zurzeit ist die bevorzugte Marke im Nordkaukasus Armani , mal mit einem »i« und mal mit »y« am Ende. Ein Sportanzug von Armani ist schon für zwanzig Dollar zu haben, das Gleiche kostet ein Kleid von Gautier . Bei solchen Preisleistungsverhältnissen bleiben Männer wie Frauen beim Aussuchen und Einkaufen ihrer Kleidung wählerisch. Jeder Kunde nimmt die Dienste von mindestens zwei Verkäufern in Anspruch, die ihm ständig neue Kaufargumente liefern. Platte Floskeln wie »In diesem Anzug sehen Sie besonders schlank aus« gehen nicht auf. Man muss sich als Verkäufer schon Klügeres einfallen lassen. Vor meinen Augen sagte einer zu einem Kunden:
»Ich würde an Ihrer Stelle doch eine Nummer größer nehmen, damit es Sie unter den Schultern nicht beengt, wenn Sie eines Tages dienstlich eine Waffe tragen müssen.«
Der Anzug war sofort weg.
Im zurückhaltenden, verschämten Westen wird unauffällige Kleidung bevorzugt. Die Kaukasier prahlen. Die Verkäufer auf dem Markt geben sich modebewusst, erzählen jedem, welche Marke gerade »in« ist. Sagen: »Ach was, Gucci war gestern, heute sind hauptsächlich japanische Designer angesagt.« Dabei reden sie von »echter türkischer Qualität« oder »chinesischer Handarbeit«, um ihre Ware anzupreisen. Von japanischen Designern in chinesischer Handarbeit mit goldenen Streifen auf dem Rücken Hergestelltes für nur zweihundert Rubel. So etwas findet man in Berlin nicht. Nur zu verständlich, dass wir jedes Mal viel Zeit auf den kaukasischen Märkten verbringen.
Der archaische naive Kapitalismus entwickelt ihm gemäße Marktstrategien, die absolut ernst gemeint sind, einen Europäer aber wahrscheinlich zum Staunen bringen. Bei den Ständen mit Sportanzügen haben die Verkäufer zum Beispiel immer einen Mann hinter dem Verkaufstisch stehen, der zu kleine Sportanzüge an zu große Kunden anpasst – durch Anziehen und Ausdehnen der Sachen am eigenen Körper. Ein professioneller Anzuganpasser kann jede Sportware locker um ein paar Nummern vergrößern.
Ich habe mich inzwischen längst an die kaukasische Art zu verkaufen gewöhnt. Mich stört die chinesische Handarbeit der japanischen Designer nicht. Ich weiß die Exotik zu schätzen: Goldfarbene Socken oder Gürtel mit einem Batzen Plastik-Dollarscheine als Schnalle, das kann es nur hier geben. Der Kapitalismus kann sich hier nicht durch gute Manieren tarnen, er wird in chinesischer Handarbeit bis auf die Knochen ausgezogen. Er zeigt seinen Kern und erscheint nackt und wild wie Adam unter dem Baum der Erkenntnis, nur mit goldenen Socken und einem Dollarbatzen als Gürtelschnalle statt eines Feigenblattes bekleidet. Ich selbst verfalle regelmäßig der Versuchung der kaukasischen Märkte und kaufe mir diese trashigen Anzüge und Gürtel, allein um die Nachbarn in Berlin zu schocken. Während des letzten Urlaubs kaufte ich außer Socken, einem vergoldeten Sportanzug und einer Dollarschnalle auch noch ein T-Shirt, auf dem mit großen roten Buchstaben UdSSR stand, es kostete siebzig Cent. Die Nachbarn werden die Polizei rufen, wenn ich in Berlin dermaßen scharf bekleidet einkaufen gehe, dachte ich.
Für mich waren diese Einkäufe purer Spaß. Meine Frau jedoch nahm die Märkte im Kaukasus sehr ernst. Es gibt dort nämlich nicht nur Trash, sondern durchaus europataugliche Sachen. So hatte Olga dort letztes Jahr eine schicke und sehr preiswerte Prada -Tasche gekauft, die im KaDeWe wahrscheinlich tausend Euro kosten würde, im Kaukasus jedoch war sie nur so teuer wie ein Kilo mageres Schweinefleisch. Und die Auswahl an Prada -Taschen ist im Kaukasus unvergleichlich größer und breiter als im KaDeWe. Meine Frau musste über Berge von Prada -Taschen klettern und Mauern von Prada -Taschen einreißen, zuletzt mit Hilfe einer Leiter auf eine hohe Prada -Taschen-Wand klettern und ständig alle Taschen umdrehen. Auf vielen stand nämlich nur auf der einen Seite Prada , auf der anderen Shannel oder Luis Vitton oder noch andere Buchstaben, zauberhafte Marken und Namen, die nur Frauen richtig aussprechen können. Das ging natürlich nicht. Es mussten schon auf beiden Seiten die gleichen Buchstaben stehen.
Tatjana und Natascha, die Berliner Freundinnen meiner Frau, die keine Verwandten im Kaukasus besitzen und deswegen in Berlin der deutschen Konsumwelt widerstandslos ausgeliefert sind, haben die Eroberungen meiner Frau aus dem Kaukasus schon früher begutachtet und
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