Meine kaukasische Schwiegermutter
Naturprodukte, und sie versprechen alle eine einwandfreie sofortige Wirkung. Tatsächlich haben mir mehrere Familienmitglieder versichert, schon einmal mit Hilfe von Silhouette ganz leicht abgenommen zu haben. Auf die konkrete Wirkung dieses Heilmittels sowie die einzelnen Komponenten sind sie jedoch nicht näher eingegangen.
Von diesen Erzählungen stark beeindruckt, glaubte ich beinahe, eine neue Geschäftsidee entwickeln zu können. In meiner Phantasie organisierte ich bereits große Lieferungen kaukasischer Diät-Tees nach Deutschland. Die Brigitte und andere Frauenzeitschriften würden ihn als Geheimtipp loben, zur Not könnte ich die notwendigen Blätter und Gräser in meinem Schrebergarten anpflanzen. Bevor ich zur Verwirklichung dieses Projektes schritt, wollte ich nachprüfen, wie gut diese Tees tatsächlich waren, und führte ein Experiment am eigenen Leib durch. Ich fing mit dem berühmten Meine Silhouette an. So groß wie meine Begeisterung für das kaukasische Essen war allerdings auch meine Enttäuschung über die kaukasische Diät. Nicht, dass sie nicht half – das tat sie schon. Aber auf eine unschöne Art. Ich hatte gedacht, kaukasische Tees würden irgendwie geheimnisvoller wirken, den Stoffwechsel ankurbeln oder Menschen so stark schwitzen lassen, dass sie gleich ihr ganzes Übergewicht in einer Nacht im Kopfkissen ließen. Bei näherem Kennenlernen entpuppten sich jedoch die tollen kaukasischen Tees als stinknormale Abführmittel. Nur eben sehr hoch dosiert. Diese Tees trieben die Heilung Suchenden in Richtung Toilette, noch bevor ihr Mittagessen es schaffte, sich im Körper aufzulösen. Man könnte mit ruhigem Gewissen Meine Silhouette in Meine Toilette umbenennen, wenn man die Wahrheit wie eine Melone knacken wollte. Aber die Kaukasier mögen diese direkte Art nicht. Was ist schon die Wahrheit? Sie wirkt unterschiedlich. Kühe werden von ihr dicker, Pferde dünner.
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Die Besonderheiten
der kaukasischen Mode
Junge Frauen im Nordkaukasus sind sehr modebewusst, sie investieren ihre ganze Zeit und Kraft in ihr Aussehen. Das hat mit den Prinzipien der Familiengründung zu tun. Die Mädchen werden hier traditionell früh verheiratet, im Idealfall mit achtzehn. Mit einundzwanzig beginnt für sie das Problemalter, und fünfundzwanzig gilt als Deadline für Hochzeit und das erste Kind. Wer es als Frau bis dahin nicht geschafft hat, einen Partner zu finden, wird als alte Jungfer bemitleidet. Anders als im Südkaukasus, wo der zukünftige Lebensgefährte von der Familie der Braut bestimmt wird, müssen die nordkaukasischen Frauen sich ihre Bräutigame selbst suchen. So unterschiedlich sind die kaukasischen Sitten.
Die Süd- und Nordseite der kaukasischen Gebirge hatten schon immer große Differenzen, sie waren auch schlecht miteinander verbunden. Man musste mehrere hundert Kilometer um die Berge herumfahren, um auf die andere Seite zu kommen. Erst vor kurzem wurde ein Tunnel in den Berg gebaut, besser gesagt: rekonstruiert. Der Tunnel, der den Süden und den Norden direkt verbindet, wurde zu Sowjetzeiten unter größter Geheimhaltung angefangen und beinahe zu Ende gebohrt. Die heutigen Staatshalter mussten den alten Tunnel nur noch auf den modernen Stand bringen lassen. Offiziell wird der Tunnel erst zur Winterolympiade 2014 eröffnet, aber für siebenhundert Rubel darf man auch heute schon hineinfahren.
Wir sind aber vom Thema Kleiderordnung abgekommen, also fahren wir fort. Die Mädchen im Nordkaukasus sind bei der Partnersuche auf sich allein gestellt, deswegen sehen sie im Sommer dermaßen scharf aus, dass einem unvorbereiteten Beobachter die Luft wegbleibt. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie einem Touristen beim Anblick solcher Bräute drei Kugeln Eis innerhalb von Sekunden in der Waffel schmolzen. Die Frauen wissen von ihrer Wirkung, bleiben aber trotzdem offen und gut gelaunt und lächeln Unbekannten gerne zu.
Die Männer im Nordkaukasus sehen weniger scharf aus. Sie bevorzugen sportliche Kleidung und kurze Frisuren und laufen gerne mit nacktem Oberkörper oder in gestreiften Matrosenhemden durch die Gegend. Sie sind auch weniger offen, kucken etwas verbissen und schmoren in latenter Aggressivität. Das ist ihre natürliche Abwehrhaltung, um sich gegen die Schärfe ihrer Frauen zu behaupten.
Die meisten Kleider werden hier nicht in Geschäften, sondern auf Großhandelsmärkten gekauft. Die Märkte tragen Frauennamen wie »Ludmila«, »Natascha« und »Tatjana«. Dort
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