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Meine kaukasische Schwiegermutter

Meine kaukasische Schwiegermutter

Titel: Meine kaukasische Schwiegermutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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und verdiente sich dadurch bei allen unseren Filmhelden großen Respekt.
    Es war heiß in den nordkaukasischen Städten und in der Steppe. Die Frauen punkteten in Versace -Miniröcken, viele Georgier trugen T-Shirts mit der Aufschrift »Ich pfeife auf die Krise«, und alle freuten sich auf unsere Kamera. Nur manchmal, wenn sie unser lautes Deutsch hörten, wollten sie provozieren.
    »Ich bin Jude, liebe deutsche Zuschauer!«, rief ein froh gesinnter Betrunkener, stellte sich immer wieder vor die Kamera und winkte heftig, als wir neben einem berühmten Weinladen drehten. Mit dieser Aussage dachte er wahrscheinlich, er würde die deutschen Zuschauer ärgern. Auch der Armenier aus dem »Waldhäuschen« begann das Gespräch mit dem Satz:
    »Ich weiß, ihr Deutschen mögt die Juden nicht. Sie stammen aber von uns Armeniern ab, nachdem die Arche Noah am Berg Ararat anlegte.«
    Luis und Tamara rollten nur mit den Augen. Es war ermüdend, jedem zu erklären, dass nicht alle Deutschen Antisemiten waren. Aber die Kaukasier waren, selbst wenn sie provozierten, immer freundlich und zuvorkommend. Sie wollten uns ihr Haus und ihren Garten zeigen und mit uns fünfzig Gramm trinken. Nur wenn sie handelten, etwas Verbotenes kauften oder, noch schlimmer, verkauften, benahmen sie sich der Kamera gegenüber misstrauisch. Als wir auf dem Großhandelsmarkt einen Armani -Anzug made in Kaukasus filmen wollten, kam sofort ein Wachmann, der wie ein Soldat angezogen war, auf uns zu. Während einer Filmaufnahme an der Post, wo in einer Volksapotheke nebenbei geheimnisvolle Glückswurzeln angeboten wurden, tauchten sogar kaukasische KGB-Männer in dunklen Anzügen und rosa Krawatten auf. Luis gab sich ruhig und tapfer. Er verteidigte mit der einen Hand die Kamera, steckte mir unauffällig mit der anderen Hand die abgespeicherten Aufnahmen in die Tasche, und mit der dritten Hand erklärte er dem KGB, dass er rein gar nichts verstehe.
    Auf dem Schwarzmarkt für Lebensmittel wollten die Straßenverkäufer verständlicherweise nicht vor der Kamera posieren. Beinahe hätten sie uns die Kamera aus der Hand geschlagen. Zum Glück stellte sich dann heraus, dass der Direktor dieses Marktes seine Armeezeit in Brandenburg verbracht hatte und Deutschland seitdem besonders schätzte. Wer sich nicht filmen lässt, braucht sich auf meinem Markt nicht mehr blicken zu lassen, lautete seine Botschaft an die Verkäufer. Daraufhin wurde es auch hier ein ruhiger, stressfreier Drehtag.
    Am herzlichsten sind die Kaukasier jedoch, wenn sie feiern. Deswegen sind uns die Aufnahmen in Restaurants am besten gelungen. Wir könnten einen ganzen Film nur aus singenden, tanzenden und Toasts ausbringenden Menschen zurechtschneiden. Es wäre genau das Richtige fürs Abendprogramm: stundenlang singende Kaukasier mit Gläsern in der Hand. Die Schlüsselszene drehten wir mit der ganzen Familie im Restaurant »Altes Baku«. Es war ein langer Abend, der in eine kurzweilige Nacht überging. Die Kamera wurde beiseitegelegt, es wurde dunkel. Die Menschen am Tisch wurden immer schwerer, die Rechnung immer fünfstelliger. Darüber machten wir uns aber keine Sorgen. Am Tag zuvor hatte uns der ehemalige Soldat aus Brandenburg eine fiktive Quittung über die Gebühr für fünf Drehtage auf seinem Markt unterschrieben und ausgehändigt.
    »Du musst ein Schlusswort sagen, eine Quintessenz unseres Films«, meinte Luis.
    Ich hob ein leeres Glas:
    »Auf die Familie«, sagte ich, »und darauf, dass es sich manchmal lohnt, wenn mehrere Generationen zusammenleben und einander gelegentlich in die Augen schauen. So können sie sich das Leben gegenseitig erleichtern und weiterkommen, den Berg hoch, dann dritter Waldweg rechts und so lange geradeaus, bis es nicht mehr weitergeht. Dann durch die Büsche, und dort …«
    Nach zehn Tagen anstrengender Filmaufnahmen hörten wir auf zu drehen und machten nur noch Urlaub. Nichts erinnerte mehr an die Arbeit, nur der Puschel lag noch im Garten. Der Puschel, der sogenannte Windschutz für das große Mikrofon, hatte sich gleich zu Beginn der Dreharbeiten unabhängig gemacht und war mit einer Gruppe halbwilder Katzen in die Steppe abgehauen. Dort war er zwei Tage herumgerannt. Später wurde er an unterschiedlichen Orten gesehen – im Swimmingpool, auf den Tomatenbeeten und einmal sogar auf dem Dach des Hauses. Der Tonfrau Tamara kam der Puschel nicht mehr in die Hände. Nun lag er nach einer wilden Woche in der Prärie völlig außer Atem im Garten, und ein

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