Meine Kinderjahre
ihr beglänztes Heimatland.
All das paßte genau auf die schöne Frau Beda. Ihre älteste Tochter, die viele Jahre später in unserem Hause lebte und meine jüngste Schwester erzog, war in ihrer Jugend von gleicher Schönheit wie die Mutter, aber nicht von derselben Dauerbarkeit. Ein jüngerer Sohn der Frau Beda, der jahrelang zu meinen Spielgefährten zählte, ging später nach England und wurde preußischer Konsul in Leith bei Edinburgh. Da sah ich ihn 1858 auf einer Reise durch Schottland wieder, ihn und seine junge Frau. Diese war eine Tochter des Historikers Alison, eines der wenigen englischen Geschichtsschreiber, die torystisch und (was Alison angeht) sogar im Sinne und zur Verteidigung der gesamten Stuart-Familie geschrieben haben. Auch das kam zur Sprache, und wir verplauderten sehr angenehme Stunden.
Die Mutter und Tochter Beda waren Schönheiten, was mir Gelegenheit gibt, hier einschaltend über die Swinemünder Frauenwelt überhaupt zu sprechen. Der kleine Ort war wie eine lebendige Gallery of beauties und gab so recht den Beweis für die Überlegenheit der Meeresanwohner in allem, was Erscheinung angeht. Wohl mag gelegentlich auch eine deutsche Binnenlandsbevölkerung, also beispielsweise die Bevölkerung in Rhein- und Mainfranken, in einzelnen Teilen von Schwaben, auch sporadisch in Sachsen und Schlesien, ähnlich hohe Prozentsätze von anmutigen Frauen und Mädchen aufweisen, ich bilde mir aber ein, nirgends in meiner deutschen Heimat soviel weibliche Schönheit gesehn zu haben wie damals in dieser kleinen Stadt. In den guten Familien war eigentlich alles hübsch, aber fast noch hübscher war die dienende Klasse. Weiter oben habe ich den Namen des Totengräbers Hahr genannt; seine Tochter war bei uns im Hause und so schön, daß sie sich weit über ihren Stand und ihre Bildung hinaus verheiratete. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Und dabei war es, als ob der Ort nach dem Satze »Wo viel ist, wirds immer mehr« auch noch Anziehungskraft auf umwohnende Schönheiten ausgeübt hätte. So kam es, daß sich eines Tages aus dem Neuvorpommerschen ein Major Thomas mit seinen Töchtern in Swinemünde niederließ, drei junge Damen, die nun durch Jahre hin den Kulminationspunkt des gesellschaftlichen Lebens bildeten. Mein Vater, ganz aus dem Häuschen, hielt begeisterte Reden in dem ihm eignen Stil, was jedesmal einen Gegenstand äußerster Erheitrung für meine Mutter ausmachte, während ich selbst, wenn ich an Ballabenden dem Tanze dieser drei Huldinnen zusehen durfte, den Olthoffschen Ressourcensaal sich in einen Weihetempel verwandeln sah.
Ziemlich um dieselbe Zeit, als Major Thomas eintraf, kam auch Schiffahrtsdirektor
Bauer.
Er hatte keine schönen Töchter, spielte sich aber selber auf Schönheit oder, um mit meinem Vater zu sprechen, »auf ein gefälliges Exterieur hin« aus. Und nicht ohne Grund, denn er hatte gesunde Farben und blonde Löckchen und trug eine goldne Brille. Noch ehe er da war, war schon eine Art Opposition gegen ihn im Gange, was der Sachlage nach eigentlich nur natürlich war. Es hatte bis dahin, wenn ich recht berichtet bin, keine Schiffahrtsdirektorstelle gegeben, und nun schuf man eine solche. Wenn man nach dem Namen gehen durfte, so mußte die Stelle notwendig den Zweck haben, der Schiffahrt aufzuhelfen, und der, der bestimmt war, diese Hilfe zu leisten, mußte was davon verstehn. Aber verstand der in Sicht Stehende wirklich etwas davon? Das wollte nicht recht einleuchten. Er war ein Binnenlandsmensch und hatte von Schiffen schwerlich mehr gesehn als eine Gondelflottille zwischen Treptow und Stralau. Was konnte der helfen und fördern! Das war so die Stimmung, als er kam. »Ein Herr vorn grünen Tisch«, so hieß es. Nun mochte sich manches Richtige darin aussprechen, nur in einem war es nicht richtig; der eben Eingetroffene war alles, nur kein »Herr vom grünen Tisch«, genau das Gegenteil. Er hatte seine Laufbahn als Schillianer oder Lützower oder freiwilliger Jäger begonnen und war um bewiesener Schneidigkeit und patriotischer Gesinnung willen in den Staatsdienst herübergenommen worden. Alle diese Personen, was sonst auch gegen sie gesagt werden konnte, waren nie Schreiberseelen, setzten vielmehr umgekehrt ihr Vertrauen und ihren Anspruch ans Leben in ihre Persönlichkeit und gingen davon aus, daß sich mit gutem Mut und gesundem Menschenverstand – eine gute staatliche Rückendeckung natürlich vorausgesetzt –
alles
machen ließe. Fachwissen und
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