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Meine Kinderjahre

Meine Kinderjahre

Titel: Meine Kinderjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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mir schon damals die Köpfe von Lord Canning, Lord Melbourne, Lord Palmerston und mehr noch die von Nelson, Wellington und Codrington, dem »Sieger von Navarino«, tief einprägten. Am meisten Eindruck aber machte Präsident Bolivar auf mich, Held und Befreier von Südamerika, das mir als Cortez- und Pizarro-Gegend ohnehin teuer war, ein sehr schöner Mann, der ebenso durch sein Aussehen wie durch den Klang seines Namens meine Sinne gefangennahm. Ja, diese den Hauptschmuck der Wohnung ausmachenden Bilder fesselten mich immer wieder, mein Hauptstaunen aber war doch wohl der große Frontsaal, der, meist geschlossen, nur bei Festvorbereitungen geöffnet wurde, bei welcher Gelegenheit ich dann einen flüchtigen Einblick tun konnte. Zu beiden Seiten standen zahllose Stühle dicht nebeneinander gerückt, ein mächtiger Glaskronleuchter hing von der Decke herab, und dem Eingange gegenüber, ganz wie bei uns, erhob sich ein bis an die Decke reichender Trumeau. Das Ganze wie das einzelne gab mir ein Gefühl von Befriedigung, und es freut mich heute noch, daß ich schon damals die schönheitliche Überlegenheit dieser aus der Empirezeit stammenden und wahrscheinlich aus England bezogenen Möbel ganz deutlich empfand. All die Kapitel 5 geschilderten »Prachtstücke«, die wir in unserm eigenen Hause besaßen, wirkten trotz einer gewissen Ähnlichkeit oder vielleicht auch um derselben willen höchst spießbürgerlich daneben.
    Von Spießbürgerlichkeit konnte nun hier überhaupt an keiner Stelle die Rede sein. Auf dem durch ein Gitter von dem eigentlichen Hofe abgetrennten Hühnerhofe ragten Volieren und Taubenhäuser in japanischen Formen auf, aber einen noch viel größeren Eindruck als diese zierlich-phantastischen Bauten im Hofe machten auf mich im Hause selbst die großen und kleinen Giebelstuben samt dem dazwischen gelegenen pittoresken Bodenflur, der den Krauseschen Kindern als Spielplatz diente. Zur Sommerzeit hatte dieser Spielplatz keine Bedeutung, winters aber und besonders in der Woche zwischen Heiligabend und Neujahr, wenn alle Geschenke vom Weihnachtstisch fortgenommen und hier hinaufgeschafft wurden, war dieser Bodenflur wie ein Paradies für Kinder. Einmal befand sich unter den hinaufgeschafften Geschenken auch eine holländische Windmühle, die größer war als ich und lustig ihre Flügel drehte. Mir drehte sich dabei alles im Kopf, so benommen war ich von dieser Herrlichkeit. Was aber das Allerwichtigste war und meinem militärischen Enthusiasmus (der sich übrigens [leider] sehr bald wieder von dieser Niederlage erholte) den ersten Stoß versetzte, das war bei Musterung dieser Spielsachen die totale Abwesenheit alles karikiert Martialischen, nichts von Helm oder Tschako, nichts von Trommel oder Säbel. Der feingebildete Sinn des Hausherrn mied solche Gewöhnlichkeiten.
    Und hier muß es gesagt werden: In dieser feinen Schulung des Hausherrn bestand recht eigentlich sein Übergewicht über alle seine Mitbürger, unter denen einige durch eine gewisse Genialität, andere durch gründlicheres Wissen ihm überlegen sein mochten. Er hatte dafür jene weltmännischen Formen, wie sie Reisen, Lektüre, gute Lebensverhältnisse zu geben pflegen, und vertrat im eminenten Grade jenen erfreulichen vornehmen Dilettantismus, der, an allem Höheren ein Interesse nehmend, sich, aus ebendiesem Interesse, mit dem Höheren nun auch wirklich zu beschäftigen beginnt. Man wurde von dieser Eigenart des auch in seinen Umgangsformen überaus liebenswürdigen Mannes auf einen Schlag überzeugt, wenn man ihn, statt in den unteren Wohnzimmern, in den schon erwähnten, nach dem Bollwerk hinaus gelegenen Giebelzimmern aufsuchte, deren geräumigstes er sich zu einem physikalischen Kabinett eingerichtet hatte. Jetzt begegnet man dergleichen häufiger, damals aber war es wohl ein Unikum in der ganzen Provinz. Da befanden sich Instrumente, um die Fallgesetze zu demonstrieren, optische Gläser, Leydener Flaschen und Voltasche Säulen, Elektrophore, Vergrößerungsgläser, Mikroskope, vor allem auch eine Luftpumpe. Noch mehr aber als die Luftpumpe selbst interessierte uns eine Windbüchse, die nach dem Luftpumpenprinzip geladen wurde. Machten sich nun Krähen und Raubvögel auf des Kommerzienrats Hühnerhofe bemerklich, so ging er – wahrscheinlich weil in der Stadt mit einer gewöhnlichen Schußwaffe nicht geschossen werden durfte – mit dieser seiner Windbüchse auf Jagd, und das Raubzeug wurde dann, nach seiner Erlegung, unter allseitigem

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