Meine Kinderjahre
eintreten, in welcher Eigenschaft dieser den Feldzug von Anno 15 mitmachte.
Zeigte dies alles seine loyale Gesinnung, so bewies es nicht minder seinen glänzenden, durch die voraufgegangenen Kriegsjahre mehr geförderten als verminderten Besitz- und Vermögensstand. Und so lag es in der Tat. Hätte es aber noch eines Beweises dafür bedurft, so wäre dieser dadurch erbracht worden, daß der alte Krause, nach wiederhergestelltem Frieden, ein in der Nähe Stettins gelegenes Gutsareal, die Güter Kolbatz, Hoffdamm und Heidchen, für die damals bedeutende Summe von 255.000 Talern an sich brachte. Das war 1816, und diese Zeit bezeichnete wohl den Höhepunkt im Ansehn der Familie.
Sommer 1837 sah ich den alten Geheimrat zum letztenmal. Er traf damals Anstalten, den 1816 erworbenen Besitz wieder zu veräußern, und zwar an den Staat. Zu diesem Zwecke war er nach Berlin gekommen und hatte daselbst in dem in der Burgstraße gelegenen Hotel de Portugal Wohnung genommen. Natürlich eine Flucht Zimmer im ersten Stock. Ich machte mich eines Nachmittags auf, um hier an den, wenn er bei guter Laune war, ziemlich umgänglichen alten Herrn eine Frage nach seinem mir befreundeten Enkel zu richten, ein Vorhaben, das scheiterte. Denn im selben Augenblicke, wo ich, von der Treppe her, in den zwischen den Vorder- und Hinterzimmern hinlaufenden Korridor einbiegen wollte, sah ich auch schon am äußersten Ende desselben eine hohe, von einer Gasflamme hell beleuchtete Gestalt, die, während sie mit einem mächtigen Weichselrohr (ich erkannte von weither die Elfenbeinkrücke) wie mit einem Gewehrkolben auf die Diele stieß, den Gang hinunter mit Donnerstimme »Louis« rief. Louis war sein Diener, ein bildhübscher, etwas durchtriebener Schlingel. Ich sah sofort, daß von einer gemütlichen Anfrage keine Rede sein konnte, machte deshalb kehrt und hörte nur noch, wie sein Rufen nach dem Diener zum zweiten-und drittenmal, alles aufstörend, das Hotel durchschütterte. Solche Störung war ihm aber gleich. Er war nicht daran gewöhnt, auf Kellner oder Portier oder wohl gar auf einen seine Nachmittagsruhe haltenden Weinreisenden irgendwelche Rücksicht zu nehmen.
Drei Jahre später starb er, der »König von Swinemünde«.
Zu der Zeit, als wir daselbst eintrafen (1827), war der alte Geheimrat nominell noch in voller Herrschaft, hatte jedoch, weil er seit 1816 die Hälfte des Jahres auf seinem Gute Kolbatz zubrachte, das Tatsächliche der Herrschaft an seine zwei Söhne Wilhelm und Eduard, wie an zwei Statthalter, abgetreten.
Eduard,
damals noch jung, wirkte wie ein Adlatus des erheblich älteren Bruders und kam erst zu voller Bedeutung, als es ihm einige Jahre danach vergönnt war, den jungen Prinzen Adalbert, späteren Admiral, in seinem unter prächtigen Linden am Bollwerk gelegenen Hause wiederholentlich als Gast begrüßen zu können. Den überaus liebenswürdigen Prinzen mit dem schon damals sprechend ähnlichen Großen-Kurfürsten-Profil, ebenso wie zwei, drei seiner Adjutanten, darunter Hauptmann von Bonin, den späteren Führer des Ersten Armeekorps 1866, habe ich aus jenen Tagen her noch deutlich im Gedächtnis.
All dies war im Beginn der dreißiger Jahre, wo meine Swinemünder Tage sich schon ihrem Ende zuneigten. Während der unmittelbar voraufgehenden Zeit aber lag, gesellschaftlich angesehen, das Stadtregiment bei des alten Krause schon genanntem ältesten Sohne, dem Kommerzienrat
Wilhelm
Krause, von dem ich in Nachstehendem zu berichten haben werde.
Das von ihm bewohnte Haus erhob sich neben dem seines Bruders an einer besonders malerischen Stelle. Das Ganze, voll Eigenart und mit künstlerischem Sinn ausgeführt, war ein Hochparterrebau, von einem Fliesengang eingefaßt, um den sich kurze Pfeiler mit dazwischen ausgespannten Ketten zogen. Eine von einem zierlichen und geschweiften Gitter eingefaßte Sandsteintreppe führte zu dem Hochparterre hinauf und mündete auf einen breiten Flur, den wieder ein langer querlaufender Korridor durchschnitt. Dadurch entstand eine Vierteilung, die für Ordnung und Übersicht des Ganzen sorgte: Wirtschaftsräume, Schlafzimmer, Wohnzimmer und großer Saal. Die Wohnzimmer und der große Saal lagen nach vorn hinaus und bildeten jedesmal einen Gegenstand meiner Bewunderung. In den Wohnzimmern waren es besonders die Kupfer- und Stahlstiche, die mich entzückten, zunächst Landschaften und Genrestücke, dann aber auch Porträts englischer Staatsmänner samt Kriegs- und Seehelden, so daß sich
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