Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
überraschend ungeschickt umging.
Seine Frau machte eine witzige Bemerkung darüber, und da zeigte sich, aus welchem Schlag diese Menschen gemacht sind. Ich
würde nicht lachen, wenn ich auf ein rotierendes Rad gespannt wäre und der Mensch, der nicht einmal seine Pizza vernünftig
zerkleinern kann, wirft mit Messern nach mir. Nein: Diese Menschen halten sich ganz einfach für unsterblich. Und vielleicht
sind sie es ja auch. So wie Stephen Kings ›Es‹.
|145| Der einsame Papi
Laura arbeitet täglich und hart. Ich arbeite auch täglich und durchaus auch hart, bloß glaubt mir das keiner. Es macht nun
mal keinen guten Eindruck, mit einem Laptop und hochgelegten Beinen auf dem Balkon zu sitzen, neben sich eine eiskalte Cola
und etwas Knabberzeug – das sieht für die wenigsten Leute aus wie jemand, der gerade dabei ist, eine Familie zu ernähren.
Zugegeben, der Job des Autors ermöglicht eine gewisse zeitliche Flexibilität, die man mit Golf spielen, Sudoku lösen oder
völlig sinnlos durch 999 Kabelprogramme schalten verbringen kann, wenn nicht gerade die Abgabe droht und die Anrufe der Lektorin immer schneller aufeinanderfolgen.
Aber im Allgemeinen bekommt man bei meinem Beruf selten Schweißränder. Aus diesem Grund bin ich abkommandiert, mich um nachmittägliche
familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Und dazu gehört die überraschend große Zahl an Kindergeburtstagen. Die Sache mit der
niedrigen italienischen Geburtenrate scheint für Grado nicht zu gelten. Lilli ist mit 25 Kindern in einer Gruppe, dito Beatrice. Dazu kommen Geschwister, und das macht ungefähr drei Geburtstage pro Monat. Die Geburtstage
finden immer nach dem Kindergarten in einer Art Gemeindesaal statt, wo sich |146| auch Halbstarke rumtreiben, weil man dort kostenlos ins Internet kommt. Wer weiß, was die Teens dort ansurfen. Der Computerexperte
der Redaktion in München, die mir Asyl gewährt, hat mir so ein paar Kniffe verraten, die angeblich jeder Elfjährige draufhat,
und seitdem mache ich mir Sorgen um die Zukunft der Jugend.
Wenn also eine von Lillis oder Beatrices Freundinnen oder auch Freunden aus dem näheren oder ferneren Freundeskreis Geburtstag
hat, bin ich dabei. Laura redet dann mit mir, als wäre mein IQ auf dem Niveau eines Zweitklässlers, und das ist gut so. Sie
spricht langsam und unterstreicht jedes Wort mit einer Geste oder einem Fingerzeig. »Für Lilli musst du den Barbie-Pullover
mitnehmen, für Beatrice den mit dem Apfel vorn drauf. Das große Geschenk mit der goldenen Schleife ist für das Geburtstagskind,
das Geschenk mit der roten Schleife für die kleine Schwester. Die Mama ist übrigens die mit den kurzen schwarzen Haaren.«
Wenn ich dann auf dem Geburtstag auftauche, habe ich alles vergessen, und so kriegt das dreijährige Mädchen ein elektronisches
Sudoku, und der siebenjährige Junge, der sein Wiegenfest feiert, freut sich über eine Stoffpuppe, die auch Pipi machen kann.
Eine zufällig anwesende Dame wird von mir in ein Gespräch über den Geburtstag ihres Sohnes verwickelt, doch es stellt sich
heraus, dass sie eine entfernte Tante und kinderlos ist. Die Beschreibung »kurze schwarze Haare« ist zu unpräzise für ein
Volk, das zu 70 Prozent aus Menschen mit kurzen schwarzen Haaren besteht.
Dann bin ich mitten in allerlei Kinderspielen, und bevor ich selber mit Sackhüpfen dran bin, verziehe ich mich ans Büfett.
Dort gibt es Cola und Gummibärchen und selbst |147| gemachten Kuchen, den ich mir pausenlos ins Gesicht stopfe. Mit vollen Backen muss ich nichts sagen, denn Laura versteht mich
inzwischen gut, aber die ist ja nicht dabei, und unter dreißig Müttern, die sich im Inseldialekt unterhalten, habe ich keine
Chance und verlege mich auf mümmelndes Nicken und debiles Lächeln nach links und rechts.
Bald liegt dann eine meiner Töchter weinend in meinen Armen, denn irgendwas ist ja immer. Meistens ist es Beatrice, die als
Jüngste ein Recht auf sämtliches Spielzeug einfordert, das sie mit zwei Händen greifen kann, ganz gleich, ob sie damit etwas
anfangen kann oder nicht. Das wollen ihr die gemeinen anderen Kinder nicht gewähren, und sie kommt zu mir, um meine Schulter
zu benässen. Ich bin dann ein großer Schmuser und lasse sie in meinen Armen einschlafen, und dann ist es ohnehin bald Zeit
zu gehen. Italienische Kindergeburtstage sind keineswegs diese ausladenden Feste, sondern werden ähnlich effizient durchgeführt
wie die
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