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Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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redete. Von mir aus zehnmal hintereinander Aha.
    Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aha. Aber das sagte sie nicht.
    Anstatt mit mir zu sprechen, flüsterte sie ihrer Freundin was zu, und dann?
    Dann rissen sie ihren Mund auf und lachten. Sie lachten durchs Schwimmbad, dass es hallte. Und die ältere Frau, die mit uns die ganze Zeit im Wasser gewesen war, lehnte sich an den Beckenrand und schaute mich an. Sie schaute mich an, als wäre ich schuld an dem Krach.
    Laut lachende Mädchen sind schlimm. Laut lachende Mädchen, die über einen Jungen laut lachen, sind schlimmer als schlimm. Laut lachende Mädchen, die über mich laut lachen, gibt‘s überhaupt nicht.
    DIE GIBT’S ÜBERHAUPT NICHT.
    Das war schon im Kindergarten so. Das war schon in der Grundschule so. Und das ist in der Realschule so. Und wenn ich später aufs Gymnasium gehe, wird es genauso sein. LAUT LACHENDE MÄDCHEN, DIE ÜBER MICH LAUT LACHEN, GIBT’S NICHT.
    Als das Mädchen in dem gelben Badeanzug aufhörte zu lachen und sich bei ihrer Freundin unterhakte und die beiden sich auf den Weg zur Eingangstür machten, ruderte ich wie blöd mit den Armen und stapfte zum Beckenrand.
    Hinter mir rief Vitali irgendwas. Zum Hinhören hatte ich keine Zeit.
    Weil ich nicht aufpasste, verhedderte ich mich beim Gehen irgendwie und kippte vornüber und platschte rein und ging unter.
    Ich schluckte wieder Wasser, spuckte aus und spuckte gleich noch mal aus.
    Auf den Stufen rutschte ich fast aus. Ich ruderte wieder mit den Armen rum und schüttelte den Kopf wie ein Hund. Überall spritzte das Wasser weg.
    Barfuß außerhalb des Beckens zu laufen ist verboten. Ich hörte das Patschen meiner Füße auf dem Steinboden. Ich dachte, gleich taucht Iris auf und schimpft.
    Die Mädchen waren schon an der Tür.
    Ich musste mich total beeilen. Sie hatten sich noch kein einziges Mal umgedreht. Mir ging die Luft aus. Tausend Meter lagen hinter mir, tausend Meter lagen vor mir.
    Wie auf der Aschenbahn zog ich den Kopf ein, schob die Schultern vor und zurück und sprang fast beim Laufen. Ich lief volle Hütte gegen die geschlossene Glastür.
    Im ersten Moment war ich so verwirrt, dass ich gleich weiterrennen wollte. Der Rückschlag war heftig gewesen.
    Ich taumelte nach hinten, schüttelte mich und nahm Anlauf. Keine Ahnung, was mit mir los war.
    Die Tür war zu, aber ich dachte, ich komme trotzdem durch.
    Und ich würde auch durchkommen. Denn das Mädchen in dem gelben Badeanzug war verschwunden, und ich hatte keine Zeit zu verlieren.
    In meinem Kopf fand der Klassenausflug der Münchner Presslufthämmer statt. Gleich sprengten sie mir die Schädeldecke weg. Das war nicht wichtig. Ich stieß einen Schrei aus und stürzte auf die Tür zu.
    Auf die Tür zu. Tür zu. Auf die zue Tür zu.
    Das war klar, alles war klar. Ich stürzte auf die Tür zu, obwohl die zu war. Ich wusste, dass die Tür zu war, das wusste ich genau. Trotzdem wollte ich durch und den Mädchen nach.
    Ich stürzte auf die Tür zu.
    Aber anscheinend stürzte ich doch nicht auf die Tür zu. Anscheinend bildete ich mir nur ein, auf die Tür zuzustürzen. Die Entfernung wurde nämlich nicht kürzer, die blieb gleich.
    Unverstehbar.
    Ich war doch losgestürzt, trotz der Presslufthämmer in meinem Kopf.
    Das stimmt nicht.
    Ich war nicht losgestürzt. Ich wollte es bloß. Ich konnte gar nicht losstürzen: weil da zwei Arme um mich waren. Und zwischen den Armen kam ich nicht raus.
    Ich steckte in zwei Armen fest.
    Ich steckte in zwei nach Creme und Parfüm und sonst was riechenden Armen fest.
    Und als ich die Augen aufmachte, schaute ich in ein Gesicht, das monstermäßig nah da war.
    Das Gesicht war so nah da, dass ich in die Augen reinschauen konnte. Die Augen waren braun, fast schwarz, und in den Augen sah ich mich selber.
    Ich war in diesen Augen. Als gehörte ich da hin. Als wären die Augen meine HEIMAT.
    Das war genau das, was ich dachte.
    Und dann hörte ich, wie das Mädchen in dem gelben Badeanzug sagte: »Dein Herz schlägt ja bis zu mir.«
    Und irgendwas zwischen den Presslufthämmern dachte: Wohin denn sonst?
    Und ich sagte: »Lass mich sofort los!«
    Und ich dachte: Wenn sie mich loslässt, sterbe ich.

Acht
    Immer noch Dienstag
    Keine Ahnung, wieso ich nicht gestorben war.
    Ich stand da und zitterte. Mir war kalt, vom Kopf abwärts.
    Im Kopf war mir nicht kalt, da schepperte es. Das war wie mein Herzschlag. Ich hatte ein Presslufthammerherz im Kopf. Das war da hochgerutscht und flippte jetzt aus.

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