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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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mich mit offenen Armen auf. Es ist, als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Er findet es seltsam, daß sich die beiden Familienzweige über all die Jahre gemieden haben. Ich wiederum finde es nicht verwunderlich: Schließlich hat mein Vater einen Vaterschaftsprozeß gegen die Familie geführt.
    Meine Vermutung, daß Günther nichts von einem jüdischen Urgroßvater wußte, bestätigt sich. Man sprach nicht darüber, und als er, spät genug, nachfragte, erhielt er nur ausweichende Antworten. Doch ohne etwas Genaues über die Herkunft seines Urgroßvaters zu wissen, hat Günther vor über zwanzig Jahren seine Tochter Sulamith getauft.
    Ich kenne diese sträfliche Trägheit, die dazu verführt, das Schweigen mitzutragen. Mein Cousin Günther ist dreiundfünfzig Jahre alt und denkt heute, daß es für seine Kinder vielleicht nicht unerheblich ist, zu wissen, woher sie kommen.
    Er ist beunruhigt, ob mein Treffen mit seinen Eltern ohne heftige Auseinandersetzung verlaufen wird. Ich antworte, daß ich kein Recht habe, zu verurteilen: nirgendwo wurde mir das Verschweigen deutlicher demonstriert als in meinem Elternhaus.
    Günthers Vater, Dr. Hans Bronner, Enkel meines Großvaters und Sohn des Bruders meines Vaters namens Günther, ist eine andere Generation. Ich treffe ihn im Linzer Café Glockenspiel, wo er dem »Club der Namenlosen«, einem unpolitischen Akademiker-Verbund, der sich
primär mit Linzer Problematiken beschäftigt, angehört. Ein bescheidener, zurückhaltender Mann, über achtzig Jahre alt, der Landwirtschaft studierte, sich dem Zuckerrübenanbau widmete und aktiv für Natur- und Umweltschutz eintritt. Liebenswürdig und mit altösterreichischem Charme hat er früh eine Entscheidung gefällt: nicht aufzufallen und »gerade bei diesem Thema« vorsichtig zu sein. Er hat seinem Sohn lange nicht gesagt, daß sein Vater jüdischer Herkunft war und nie hätte er es gewagt, bei seinem Schwiegervater um die Hand seiner Frau anzuhalten, hätte jener davon gewußt. Ich könne nicht ahnen, wie groß der Antisemitismus in Österreich immer noch sei, flüstert er und blickt sich vorsichtig im Café um, da ginge es nicht immer gemütlich zu.
    Ich weiß das und antworte, so hielte man die alten und neuen Braunen keineswegs in Schach, abgesehen davon gebe es heute keine Gefahr, wenn man sagte, daß man jüdischer Herkunft sei.
    Von seinem Großvater weiß Hans nicht viel; vielleicht möchte er aber auch nicht darüber sprechen. Aber er hat Fotos, von seinen Eltern, Großeltern und Ellida, die er später in seinem Haus am Pöstlingberg auf dem Tisch neben meinem Teller mit gerösteten Knödeln und Rührei ausbreitet. Und anhand der Fotos beginnt er doch ein wenig zu erzählen.
    Wenn man Ahnen nachstellt, kann man an Witwen nicht vorübergehen. Ich wende mich an die Witwe meines Vaters, Renate, im ehemaligen Intelligenzviertel in Ostberlin. Sie war 1954 mit meinem Vater aus Linz dorthin gezogen. Ein befremdliches Land für sie mit seinen Spruchbändern und Fahnen, und Ideologien konnten sie schon gar nicht begeistern. Es gab Augenblicke, da hätte ich auf die Barrikaden gehen können, lautete einer ihrer Aussprü
che, aber sie wäre auch sehr schnell wieder heruntergeklettert und hätte sich alles in Ruhe angesehen.
    Mit ihrer Naivität hatte Renate meinen brüchigen und sensiblen Vater angezogen, und er wiederum war so klug, ihr nicht alles zu erzählen. Sie war ihm eine große Hilfe in ihrer unverbildeten Fröhlichkeit – als Kumpel ging sie mit ihm in die DDR und verstand es, ihn, soweit möglich, zu integrieren, war Bindeglied zu ein paar Freunden. Mit seiner Welt allerdings blieb er dort allein.
    Die Witwe ist von Arnolt Bronnen auf das Tabu seiner Herkunft dermaßen eingeschworen, daß sie meinem Vorhaben nur Verachtung entgegenbringen kann. Denn als ich ankündige, mich dem Leben des Großvaters widmen zu wollen, fällt sie mir kämpferisch mit Schauspieler-Tremolo und aufgerissenen, kastanienbraunen Augen ins Wort: Was willst du denn mit dem! Dieser eifernden Lehrerseele, diesem Schandschreiberling! Gib endlich Ruh' und laß diese alten Geschichten, sonst kriegst du's mit mir zu tun.
    Die fast neunzigjährige Tochter eines k. & k. Offiziers wirft mir mit austriakischem Charme und amüsiertem Mißfallen einen

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