Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Terrain zu sondieren und den Reverend Tyrcomel ganz allmählich dahin zu lenken, daß er von dem Briefe Kamylk-Paschas, der ja in seinem Besitz sein mußte, zu reden anfing, von dem Briefe, der ja die neuen, hoffentlich die letzten Angaben wegen einer Breitenlage enthielt.
Dahin ging wenigstens der Rath Zambuco’s, der seinem Schwager diese Vorsicht dringend anempfohlen hatte. Ob der hitzige Malouin das aber einhalten würde, war eine ganz andre Frage.
Jedenfalls ergriff dieser nicht zuerst das Wort. Während die drei Besucher eine geschlossene Gruppe bildeten, stellte sich der Reverend Tyrcomel wie ein Prediger vor sie hin. Ueberzeugt, daß diese Leute aus freiem Antriebe kamen, um sich seinen Lehren zu unterwerfen, dachte er nur daran, ihnen seine Grundsätze noch einmal zu entwickeln.
»Liebe Brüder, begann er, die Hände aus Dankbarkeit gegen sie faltend, ich danke dem Schöpfer für die mir verliehene Gabe der Rede, die mir gestattet hat, bis in die Tiefen Eurer Herzen zu dringen und Euch von der Werthlosigkeit aller irdischen Reichthümer zu überzeugen…«
Da hätte man die Gesichter der beiden Erben sehen sollen!
»Liebe Brüder, fuhr der Clergyman fort, indem Ihr die Schätze, die Ihr etwa besitzt, vernichtet…
– Die wir noch nicht besitzen! fühlte sich Juhels Onkel zu rufen versucht.
–… werdet Ihr ein bewunderungswerthes Beispiel geben, dem bald Alle folgen, die sich über die materiellen Dinge dieser Welt zu erheben vermögen.«
Mit einer heftigen Bewegung der Kinnladen schob Meister Antifer seinen Kiesel von einer Wange nach der andern, während Zambuco ihm zuzuflüstern schien:
»Wollen Sie denn diesem Schwätzer den Grund unsres Besuchs gar nicht mittheilen?«
Ein bejahendes Zeichen war die Antwort des Malouin, der sich selbst sagte:
»Nein, ich werde einem solchen Schwärmer nicht gestatten, seine gestrige Predigt zu wiederholen!«
Der Reverend Tyrcomel breitete schon die Arme aus, als wolle er reuige Sünder in dieselben schließen, und begann mit salbungsvoller Stimme:
»Ihre Namen, liebe Brüder, damit ich…
– Unsre Namen und unsre Berufe, Herr Tyrcomel, unterbrach ihn Meister Antifer, sind:
Ich, Meister Antifer, Pierre-Servan-Malo, Kapitän der Küstenfahrt in Ruhestand. – Juhel Antifer, mein Neffe, Kapitän der langen Fahrt, – Herr Zambuco, Banquier aus Tunis.«
Der Clergyman trat an den Tisch, um die Namen aufzuschreiben, indem er sagte:
Da hätte man die Gesichter der beiden Erben sehen sollen (S. 335.)
»Sie bringen mir ohne Zweifel, um sich derselben zu entledigen, Ihre irdischen Güter… vielleicht Millionen…
– In der That, Herr Tyrcomel, es handelt sich um Millionen und wenn Sie davon Ihren Antheil erhalten haben werden. steht es Ihnen frei, alles zu vernichten; was aber uns betrifft, so liegt die Sache etwas anders…«
»Ich werde Dir diesen Brief zu entreißen wissen« (S. 341.)
O, da segelte Meister Antifer aber falschen Cours. Juhel und Zambuco erkannten es an dem plötzlich veränderten Gesichtsausdruck des Clergyman. Seine Stirne furchte sich, seine Augen wandten sich halb ab und die vorher weit offnen Arme schlossen sich über der Brust, wie die Thüren eines Geldschrankes.
»Um was handelt es sich, meine Herren? fragte er, einen Schritt zurücktretend.
– Um was es sich handelt? antwortete Meister Antifer. He, Juhel, setze Du ihm die Geschichte auseinander, denn ich wäre nicht im Stande, meine Worte ordentlich zu beherrschen!«
Juhel that, wie er wünschte. Er erzählte alles, was er von Kamylk-Pascha wußte, die diesem von seinem Großvater geleisteten Dienste, erwähnte die Verpflichtungen, die jener gegen den Banquier Zambuco gehabt hatte, den Besuch des Testamentvollstreckers Ben Omar, Notars in Alexandria, in Saint-Malo, die Reise nach dem Golf von Oman, wo das Eiland Nummer Eins lag, danach die bis zur Ma-Yumbabai mit dem Eiland Nummer Zwei, die Auffindung des zweiten Documentes, das die beiden Erben an einen dritten Miterben verwies, der kein andrer wäre als der Reverend Tyrcomel, Esquire, von Edinburg u.s.w.
Während Juhel sprach, hörte der Clergyman zu, ohne sich zu rühren, ohne eine Miene zu verziehen und einen Muskel zucken zu lassen. Eine Statue aus Marmor oder Bronze hätte nicht regungsloser dastehen können. Und als der junge Kapitän seinen Bericht beendet hatte und den Reverend Tyrcomel fragte, ob er jemals zu Kamylk-Pascha in irgendwelcher Beziehung gestanden habe, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher