Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
keinen Augenblick, und wenn er sich wieder erholte, hatten sie gewiß auf seine Dankbarkeit Anspruch.
Nach der Rückkehr ins Hôtel hatte Juhel den Notar sofort benachrichtigt, und von diesem erfuhr wieder Saouk von der Weigerung des Reverend Tyrcomel. Die Wuth des falschen Nazim kann man sich da wohl vorstellen. Diesmal kam es aber zu keinem äußern Ausbruche – jenen gewaltthätigen Handlungen, die immer auf den unglücklichen Notar zurückfielen. Alles concentrierte sich auf ihn selbst, und vielleicht bildete er sich ein, daß es ihm besser als dem Meister Antifer gelingen werde, hinter das Geheimniß zu kommen und dieses dann zum eignen Vortheile auszunützen. Dahin ging also sein ganzes Streben, und man konnte beobachten, daß er sich weder diesen Tag noch an den folgenden im Hôtel wieder blicken ließ.
Der Frachtschiffer hatte nach Anhörung des Juhel’schen Berichts über den Besuch bei dem Clergyman einfach gesagt:
»Ich glaube wohl, daß die Geschichte nun so gut wie begraben ist… Ist das nicht auch Deine Ansicht, mein Junge?
– Ja freilich, Herr Tregomain, es erscheint mir ganz unmöglich, einen solchen Starrkopf zum Reden zu bewegen…
– Ein schnurriger Kauz ist er doch, dieser Tyrcomel, dem man Millionen ins Haus bringt… und er schlägt sie ab!
– Millionen bringt?… erwiderte der junge Kapitän, den Kopf schüttelnd.
– Du glaubst nicht daran, Juhel?… O, Du hast doch wohl Unrecht!
– Wie haben Sie sich verändert, Herr Tregomain!
– Sapperment, seit Auffindung der Diamanten, ja! Ich sage natürlich nicht, daß sich deshalb Millionen auf dem dritten Eiland befinden, und doch, sie könnten ja da liegen. Da der Clergyman sich aber zu nichts verstehen will, wird die Lage desselben ja niemals bekannt werden!…
– Und ich sage Ihnen, Herr Tregomain, trotz der beiden Diamanten von Ma-Yumba wird mir nichts die Ueberzeugung rauben, daß der Pascha uns ungeheuer an der Nase herumführt…
– Jedenfalls droht das Deinem armen Onkel theuer zu stehen zu kommen, Juhel. Jetzt gilt es vor allem, ihn abzulenken, wenn er immer noch bei der Sache beharrt. Wir wollen ihn pflegen wie barmherzige Schwestern und wenn wir ihn wieder auf den Füßen und genügend bei Kräften haben, um reisen zu können, so denk’ ich, wird er zustimmen, nach Frankreich heimzukehren, um dort das alte ruhige Leben wieder zu beginnen…
Als sie weg waren, erhob der Reverend Tyrcomel die Hände gen Himmel. (S. 342.)
– Ach, Herr Tregomain, warum befindet er sich nicht in dem Hause der Rue des Hautes-Salles?
– Und Du bei unsrer kleinen Enogate, mein Junge! Doch, wirst Du ihr nicht schreiben?
– Noch heute, Herr Tregomain, und diesmal glaub’ ich ihr unsre bestimmte Rückkehr ankündigen zu können!«
Die Canongate und das Schloß Edinburg. (S. 348.)
Einige Tage verstrichen. Der Zustand des Kranken hatte sich nicht verschlimmert… Das Fieber nahm langsam ab. Der Arzt zeigte sich aber ziemlich beunruhigt wegen des Verstandes des Patienten. Sein Kopf war noch immer nicht ganz klar. Er erkannte jedoch seinen Freund Tregomain, seinen Neffen Juhel und seinen zukünftigen Schwager… Schwager?… Unter uns, wenn eine Vertreterin des schönen Geschlechts Gefahr lief, für immer alte Jungfer zu bleiben, war das nicht das an den Grenzen der Fünfzig stehende Fräulein Talisma Zambuco, die in ihrem Jungfernstübchen in Malta das Erscheinen des versprochenen Gatten nicht ohne Ungeduld erwartete? Denn, kein Schatz – kein Ehemann, weil das eine nur das andere vervollständigte.
Weder der Frachtschiffer noch Juhel konnten, da der Kranke ihrer Gegenwart bedurfte, das Hôtel unter diesen Verhältnissen verlassen. Jener verlangte, daß sie Tag und Nacht in seinem Zimmer blieben und seine Klagen, seine Vorwürfe und vorzüglich seine Drohungen gegen den schrecklichen Clergyman anhörten. Er sprach von nichts andrem, als diesen gerichtlich verfolgen zu lassen, ihn vor den Friedensrichter oder die Sherifs, ja bis vor den hochnothpeinlichen Criminalgerichtshof, den Justitiary Court von Edinburg zu schleppen. Die Richter würden ihn dann zum Reden bringen – es war gesetzlich nicht erlaubt zu schweigen, wenn man durch ein einziges Wort dem Geldverkehr des Landes eine Summe von hundert Millionen zuführen kann… Für ein solches Verbrechen muß es Strafen, schwere, schreckliche Strafen geben, und wenn für solche Verbrecher nicht die hanfene Halskrause oder etwas ähnliches vorgesehen ist, wer verdient
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