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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gegentheil, der Sultan und der Pascha standen damals auf freundschaftlichstem Fuß miteinander, und dieser hatte jenem seine thatkräftigste Mitwirkung geliehen, um Morea zu unterwerfen und die Unabhängigkeitsbestrebungen des kleinen Königreichs Griechenland zu lähmen.
    Einige Jahre hindurch verhielten sich Mehemet Ali und Ibrahim in ihrem Paschalik ganz ruhig. Das Vasallenverhältniß aber, in dem sie zu der Pforte standen, lastete schwer auf ihrem Ehrgeiz, und sie lauerten nur auf eine passende Gelegenheit, sich zu erleichtern und die seit Jahrhunderten eng angespannten Fesseln zu brechen.
    In Aegypten lebte jener Zeit ein Mann, dessen von vielen Generationen auf seinem Haupte angesammeltes Vermögen zu den größten im Lande zählte. Dieser Mann wohnte in Kairo. Er nannte sich Kamylk-Pascha, und er war es, den der Kapitän der Brigg-Goëlette mit »Excellenz« anredete.
    Ein durchwegs gebildeter Mann, war er vorzüglich in allen mathematischen Wissenszweigen und in deren praktischer und selbst phantastischer Ausnützung wohl erfahren. Stark angesteckt vom Orientalismus, war er vor allem aber von Herzen Ottomane, wenn auch Aegypter von Geburt. In der Ueberzeugung, daß gegenüber den Versuchen des abendländischen Europa zur Unterwerfung der Völker der Levante der Widerstand nachdrücklicher seitens des Sultans Mahmud,
    als seitens Mehemet Ali’s sein würde, warf er sich mit Leib und Seele in den Kampf.
    Im Jahre 1780 in einer Soldatenfamilie geboren, zählte er kaum zwanzig Jahre, als er sich der Armee Djezzar’s anschloß, wo er in Folge bewiesenen Muthes bald den Titel und Rang eines Pascha erlangte. Schon 1799 setzte er Freiheit, Vermögen und Leben auf’s Spiel, als er sich gegen die Franzosen unter Führung Bonaparte’s nebst den Generalen Kleber, Régnier, Lannes, Bon und Murat wie ein Löwe schlug. Nach der Schlacht bei El-Arisch mit den Türken gefangen, hätte er seine Freiheit erlangen können, wenn er das schriftliche Versprechen abgab, nicht ferner gegen die Truppen Frankreichs zu kämpfen. Doch entschlossen, bis an’s Ende zu streiten, immer in der Hoffnung auf einen unwahrscheinlichen Glückswechsel und halsstarrig in Thaten wie in Gedanken, verweigerte er es, sein Ehrenwort zu verpfänden. Wirklich gelang es ihm, zu entfliehen, und später traf man ihn wüthender als je vorher bei allen Zusammenstößen, die in dem Conflict der beiden Rassen vorkamen.
    Nach der Uebergabe von Jaffa, am 6. März, gehörte er zu denen, die in den Capitulations-Bedingungen freien Abzug zugesichert erhielten. Als die gegen viertausend Mann zählenden Gefangenen, Albanesen und Arnauten, Bonaparte vorgeführt wurden, zeigte sich dieser über die Gefangennahme keineswegs erfreut, denn er fürchtete, daß die Leute sich beeilen würden, die Truppen des Pascha von Saint-Jean d’Acre zu verstärken. Hier zeigte er auch schon, daß er zu den Eroberern gehörte, die vor nichts zurückschrecken, und gab Befehl, alle zu erschießen.
    Dieses Mal bot man ihnen nicht, wie früher den Gefangenen von El-Arisch, an, sie unter der Bedingung, nicht wieder ins Feld zu ziehen, zurückzuschicken, man verurtheilte sie einfach zum Tode. So erlagen sie auf dem Strande, und die, die von den Kugeln verschont geblieben waren und glaubten, daß sie begnadigt seien, fanden noch zum größten Theile den Tod, als sie der Küste zueilten.
    Kamylk-Pascha sollte freilich hier und auf diese Weise nicht umkommen. Er traf auf einige Männer, Franzosen – zu ihrer Ehre sei hier daran erinnert – die sich vor diesem schauerlichen Gemetzel, wenn es im Krieg vielleicht auch nicht zu umgehen war, entsetzten. Den braven Leuten gelang es, einzelne Gefangene zu retten. Einer davon war es, ein Seemann von der Handelsflotte, der in der Nacht in der Nähe der Klippen umherirrte, auf denen sich einzelne Unglückliche versteckt halten konnten, und der Kamylk-Pascha, welcher von einer Kugel schwer verwundet war, unter seinen Schutz nahm. Er brachte ihn nach einem sichern Orte, pflegte und heilte ihn in einer Weise, daß dieser ihm den erwiesenen Liebesdienst gewiß nie vergessen konnte. Wie er ihn später und unter welchen Verhältnissen wieder fand, das bildet den Inhalt dieser merkwürdigen und wahrhaftigen Erzählung.
    Kurz, drei Monate später war Kamylk-Pascha wieder auf den Füßen.
    Der Feldzug Bonaparte’s war vor Saint-Jean d’Acre gescheitert. Unter dem Commando Abdallah’s, des Paschas von Damaskus, hatte die türkische Armee am 4. April den

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