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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Iberiern glauben darf – den Rand des Horizonts. Beim Untergang wie beim Aufgang machte ihn die Refraction noch kurze Zeit sichtbar, wenn er sich noch oder wieder unter dem Horizonte befand. Das schräg auf die Wasserfläche fallende Licht schoß in schmalem Strahle weit von Westen bis nach Osten hinaus. Die letzten schwachen Wellen, die mehr Feuerbündeln glichen, flachten sich in der abflauenden Brise mehr und mehr ab. Dieser Schein erlosch sofort, als der obere Theil der Sonnenscheibe, kurz bevor er sich vom Horizonte losriß, seinen letzten grünen Strahl entsandte. Der Rumpf der Brigg-Goëlette färbte sich dunkler, während ihre höheren Segel noch im Purpurscheine des Abendlichtes erglänzten.
    Gerade als der Vorhang der Dämmerung herabzusinken begann, ließ sich aus dem Takelwerk des Fockmastes eine Stimme vernehmen.
    »Ohe!…
    – Was giebt es? fragte der Kapitän.
    – Land in Sicht vor Steuerbord!«
    Ein Land in der Richtung, in welcher der Kapitän wenige Minuten vorher schwache Umrisse erkannt zu haben glaubte?… Er hätte sich also doch nicht getäuscht? Bei dem Rufe des Ausgucks waren die Leute von der Wache in die Wanten geklettert und blickten nach Westen hinaus. Mit dem Fernrohre am Riemen erklomm auch der Kapitän die Strickleiter des Großmastes, setzte sich reitend auf die Raae des Großsegels und suchte, das Glas vor dem Auge, den Horizont an der bezeichneten Stelle ab.
    Der Ausguck hatte sich nicht getäuscht. In der Entfernung von sechs bis sieben Meilen tauchte ein Eiland auf, dessen Umrisse sich dunkel von der noch farbenglühenden Himmelswand abhoben. Man hätte es für eine Klippe von mäßiger Höhe halten können, deren Gipfel eine Wolke schwefliger Dünste umhüllte. Fünfzig Jahre später hätte jeder Seemann das für die Rauchsäule eines Dampfers angesehen.
    Im Jahre 1831 aber dachte man noch gar nicht daran, daß die Oceane einmal von jenen gewaltigen Maschinen durchfurcht werden würden.
    Der Kapitän hatte indeß kaum Zeit zu sehen, und noch weniger über das Gesehene nachzudenken.
    Das signalisierte Land verschwand fast sofort im Nebeldunst des Abends. Doch – es war gesehen, deutlich gesehen worden. Hierüber konnte kein Zweifel bestehen.
    Der Kapitän stieg wieder nach dem Oberdeck hinab, und der Herr, den dieser Zwischenfall aus seinem Hinbrüten erweckt hatte, gab ihm ein Zeichen, näher zu kommen.
    Wieder entspann sich das gewöhnliche Zwiegespräch.

    »Nun?…
    …. Eure Excellenz…
    – Ein Land in Sicht?
    – Wenigstens ein Eiland.
    – In welcher Entfernung?
    – Etwa sechs Seemeilen im Westen.
    – Und auf der Karte findet sich an dieser Stelle nichts?
    – Gar nichts.
    – Bist Du Deiner Sache sicher?
    – Vollkommen!
    – Das wäre also eine unbekannte Insel?
    – Nach meiner Ansicht, ja.
    – Ist das überhaupt glaubhaft?
    – Warum nicht, Excellenz, wenn das Eiland erst neuerdings aufgetaucht wäre….
    – Neuerdings?..
    – Das ist leicht möglich, denn es schien mir von vulcanischen Dämpfen umhüllt. In dieser Gegend kommt es nicht so selten zu Umwälzungen, die sich durch Hebungen und Senkungen des Meeresbodens zeigen.
    – Möchtest Du wahr sprechen, Kapitän! Ich könnte mir nichts besseres wünschen, als diese eben aus dem Meere aufgestiegenen Felsmassen! Diese würden noch niemand angehören.
    – Oder, Excellenz, sie gehörten vielmehr dem ersten Besitzergreifer.
    – Das wäre ich also.
    – Jawohl, Sie, Excellenz.
    – Laß gerade auf jenes Land zuhalten.
    – Gerade… aber vorsichtig! erwiderte der Kapitän. Unsere Brigg-Goëlette liefe Gefahr zertrümmert zu werden, wenn etwa unterseeische Klippen weiter hinausreichten. Ich schlage vor, den Tag abzuwarten, um klar zu sehen und dann das Eiland anzulaufen….
    – Gut, warten wir so lange, doch sorge, daß wir inzwischen näher herankommen.
    – Zu Ihrem Befehl!«
    Eine solche Vorsicht ist stets geboten. Ein Schiff darf sich nicht auf ihm unbekanntes, seichteres Wasser wagen. Bei der Annäherung an ein solches Land muß fortwährend die Sonde benützt werden, und in der Nacht gilt es doppelte Vorsicht.
    Der hohe Herr zog sich nach seiner Cabine zurück, und wenn ihm der Schlummer auch sehr bald die Lider schloß, so brauchte ihn diesmal der Schiffsjunge gewiß nicht beim ersten Tagesgrauen zu wecken, er erschien jedenfalls schon vor Sonnenaufgang auf dem Oberdeck.
    Der Kapitän selbst wollte das Oberdeck weder verlassen, noch dem Obersteuermann zumuthen, die ganze Nacht hindurch zu wachen. Jetzt

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