Meister und Margarita
Sitte –, sprach Korowjew weiter, – wonach die Dame unbedingt, zum Ersten, den Namen »Margarita« tragen, zum Zweiten, eine Hiesige sein muss. Weil, schaun S’, wir wandern von Ort zu Ort – und heuer sind wir in Moskau. Wir haben in Moskau ganze hun-dert-ein-und-zwan-zig Margaritas ausbaldowert! Und, ob S’ es glauben oder nicht –, er schlug sich verzweifelt auf die Schenkel, – keine einzige taugt was! Aber dann, juhe! …
Korowjew grinste mit einer Verbeugung. Sehr überzeugend. Und wieder einmal diese Kälte ums Herz.
– Alles in allem, kurz gefasst –, rief Korowjew: – Wollen S’ die Aufgabe übernehmen?
– Ich will –, sagte Margarita mit Nachdruck.
– Ist doch fesch! –, antwortete Korowjew und hob sein Lämpchen. – Dann bitt’ ich: Mir nach!
Sie marschierten zwischen den Säulen und gelangten schließlich in einen anderen Saal. Darin roch’s nach Zitronen und raschelte dauernd. Etwas streifte Margarita am Kopf. Sie erbebte.
– Nicht schrecken –, beruhigte sie Korowjew mit süßlicher Stimme und nahm sie beim Arm. – Behemoth tüftelt wieder was aus – für den Ball – sind nur Lappalien. Und überhaupt, Margarita Nikolajewna, bin ich so frei und geb’ Ihnen den Rat: Haben S’ nie vor irgendwas Angst. Das wär’ unklug. Wie auch immer, zu unserem Ball sag’ ich nur: sehr, sehr prachtvoll. Sie begegnen Personen, denen ihr Machtbereich seinerzeit außerordentlich groß war. Doch wenn man bedenkt, wie mikroskopisch klein ihre Möglichkeiten im Vergleich zu denen desjenigen sind, zu dessen Gefolge ich die Ehre habe zu gehören, dann erscheint das geradezu lächerlich, oder vielleicht eher traurig … Zumal Sie ja selbst von königlichem Blut sind.
– Wieso bin ich von königlichem Blut? –, flüsterte erschrocken Margarita und drückte sich an Korowjew.
– Ach, Königin –, schnatterte jener verspielt, – die Fragen des Blutes sind so unerforschlich! Und ließe sich manch eine Urgroßmutter aushorchen – insbesondere von der Sorte der Prüden – es kämen die wildesten Sachen ans Licht, jawohl, meine hochverehrte Margarita Nikolajewna. Und es ist gewiss nicht zu sehr gelogen, wenn ich den Vergleich zu einem Kartenspiel zieh’, das auf die verzwickteste Weise durcheinandergemischt worden ist. Es gibt halt einmal Sachen, wo Standes- noch Landesgrenzen nimmer was gelten. Kleiner Wink: Eine französische Königin aus dem sechzehnten Jahrhundert wäre garantiert ziemlich erstaunt, wenn sie wüsste, dass ich ihre überaus reizende Ururururenkelin Jahre später in Moskau durch diese Tanzsäle führen würde. Aber wir sind da!
Da blies Korowjew sein Lämpchen aus, und es schwand ihmdaraufhin aus den Händen. Vor Margarita lag ein Lichtstrahl und verlor sich unter einer dunklen Tür. Und an diese Tür klopfte Korowjew leise. Margaritas Zähne begannen zu klappern. Im Rücken Frost.
Die Tür ging auf. Der Raum dahinter nicht einmal groß. Nur ein breites Eichenbett mit zerwühlten schmutzigen Laken und Kissen. Gleich davor ein schwerer Holztisch mit geschnitzten Beinen. Er trug einen Kandelaber, dessen Arme in gekrallten Vogelklauen ausliefen. In diesen sieben goldenen Klauen flackerten klobige Wachskerzen. Daneben stand außerdem ein großes Schachbrett mit recht kunstvoll gefertigten Figuren. Auf der kleinen verschlissenen Matte ein niedriges Bänkchen. Es gab noch einen Tisch mit irgendeinem schimmernden Kelch und einem weiteren Leuchter, dessen Enden wie Schlangen gestaltet waren. Im Zimmer roch es nach Harz und Schwefel. Die Schatten der Lichter kreuzten sich am Boden.
Unter den Anwesenden ein bekanntes Gesicht: Azazello. Aber diesmal im Frack. Stehend hinter der Bettlehne. Feingemacht. Nichts mehr von jenem Ganoven im Alexandergarten. Er verneigte sich übrigens äußerst galant.
Eine nackte Hexe (eben jene Gella, die den ehrenwerten Wirt aus dem Varieté so sehr in Verlegenheit gebracht hatte, jene, die in der Nacht der berüchtigten Séance glücklicherweise von einem Hahn aufgeschreckt worden war), hockte auf der Matte neben dem Bett und rührte etwas in einem Topf, wovon ein gräulicher Dampf aufstieg.
Des Weiteren saß auf einem hohen Schemel vor dem Schachbrett ein riesiges schwarzes Katervieh und hielt in der rechten Pfote einen Springer.
Gella erhob sich mit einer Verbeugung vor Margarita. Und auch der Kater sprang vom Schemel und grüßte sie. Als er mit dem hinteren rechten Bein einen Kratzfuß machte, ließ er die Spielfigur fallen und krabbelte –
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