Meister und Margarita
in der Ferne das Rauschen von zahlreichen Flügeln. Korowjew und Azazello stürzten hinaus.
– Ach, soll euch doch alle der Teufel holen, euch und eure Ballattraktionen! –, brummte Woland, ohne sich von seinem Globus zu trennen.
Kaum waren Azazello und Korowjew fort, nahm das Zuzwinkern Behemoths gesteigerte Ausmaße an. Der weiße König hat endlich begriffen, was man von ihm wollte. Er zog plötzlich den Mantel aus, warf ihn auf das Feld und türmte vomBrett. Jetzt übernahm der Offizier dieses Kleid des Königs und zugleich auch dessen Position.
Korowjew und Azazello kamen zurück.
– Erstunken und erlogen! Die alte Geschichte! –, murrte Azazello, zu Behemoth schielend.
– Ich habe mich offensichtlich verhört –, entgegnete der Kater.
– Und? Wie lange soll das noch dauern? –, versetzte Woland. – Schach dem König.
– Ich habe mich offensichtlich verhört, oh mein Maître –, sagte der Kater. – Von einem Schach kann gar keine Rede sein! Das ist völlig unmöglich!
– Ich wiederhole: Schach dem König.
– Messire –, erwiderte mit gestelzt beunruhigter Stimme der Kater, – es gibt kein Schach! Sie sind wohl übermüdet!
– Der König steht auf dem Feld g2 –, sagte Woland, ohne aufs Brett zu schauen.
– Messire, ich bin entsetzt! –, stöhnte der Kater und bemühte sich, auch entsetzt zu wirken. – Es steht kein König auf diesem Feld!
– Wie das? –, fragte Woland irritiert mit einem Blick auf das Spiel. Auf dem Königsfeld stand der Offizier, wandte sich ab und bedeckte sein Gesicht.
– So ein Schlitzohr –, sagte Woland nachdenklich.
– Messire! Und wieder einmal appelliere ich an die Logik! –, sprach der Kater und drückte die Pfoten an die Brust. – Wenn ein Spieler »Schach dem König!« verkündet, während vom König auf dem Spielbrett jede Spur fehlt, wird das nämliche Schach für ungültig erklärt.
– Gibst du auf? Ja oder nein? –, brüllte Woland mit furchtbarer Stimme.
– Gestatten Sie mir, kurz nachzudenken –, gab der Kater sanft wie ein Lamm zur Antwort, setzte die Ellen auf den Tisch, legte die Ohren in die Pfoten und vertiefte sich ins Grübeln. Er grübelte lange und brachte endlich hervor: – Ich geb’ auf.
– Abmurksen sollte man den sturen Hund –, flüsterte Azazello.
– Jawohl, ich geb’ auf –, wiederholte der Kater, – aber aus einem einzigen Grund: Es erscheint mir nicht möglich, das Spiel in einer seitens der Neider mit Hass getränkten Atmosphäre fortzuführen! – Er erhob sich und alle Figuren kletterten in ihre Schachtel zurück.
– Gella, es wird Zeit –, sagte Woland, worauf die Angesprochene aus dem Zimmer verschwand. – Mir tut das Bein weh, und dann dieser Ball … –, redete er weiter.
– Darf ich? –, bat Margarita leise.
Woland sah sie aufmerksam an und schob ihr sein Knie zu.
Das wie Lava heiße Gebräu brannte auf den Handflächen. Doch Margarita verzog nicht einmal die Brauen und rieb es behutsam ins Knie ein.
– Mir nahestehende Personen sprechen von Rheuma –, erklärte Woland, die Augen auf Margarita gerichtet. – Ich aber hege den starken Verdacht, dieser Schmerz da in meiner Kniescheibe sei mir von einer reizenden Hexe als Andenken verpasst worden. Ich habe sie im Jahre fünfzehnhunderteinundsiebzig auf dem Brocken, an des Teufels Lehrstuhl, kennengelernt.
– Ach, ist das die Möglichkeit? –, sagte Margarita.
– Nicht der Rede wert! So in dreihundert Jahren wird sich das legen! Mir wurden allerhand Mittel empfohlen, doch aus alter Gewohnheit halte ich mich lieber an Großmutters Hausrezepturen. Dieses vermaledeite Weiblein vermachte mir manch kurioses Kraut! Apropos, leiden Sie an nichts? Vielleicht an einer heimlichen Sorge? Nagt irgendein Kummer an Ihrem Gemüt?
– Nein, Messire, nichts dergleichen –, erwiderte die kluge Margarita. – Und jetzt, da ich bei Ihnen bin, fühle ich mich ohnehin bestens.
– Das Blut ist schon etwas Grandioses! –, sagte Woland ohne ersichtlichen Grund mit heiterer Stimme und fügte hinzu: – Sie scheinen sich ja für meinen Globus zu interessieren!
– Das ist wahr. Ich habe noch nie zuvor ein Wunderwerk dieser Art gesehen.
– Ein recht nützliches Wunderwerk. Ehrlich gesagt, bin ich kein Freund von Nachrichtensendungen im Radio. Immer werden sie von jungen Damen verlesen, die kaum imstande sind, einen Ortsnamen deutlich auszusprechen. Außerdem hat jede dritte von ihnen einen kleinen Sprachfehler – so als hätte man sie extra danach
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