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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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beschlagenen Caligen klappernd, von der Galerie in den Garten. Der Eskorte folgte der Sekretär.

    Das Schweigen dort auf der Galerie wurde eine Zeit lang nur vom Gesang des Brunnenwassers gestört. Pilatus sah die flüssige Schale über dem Röhrchen schwellen, ihren Rand sich krümmen und in winzigen Rinnsalen niederströmen.
    Als Erster ergriff der Gefangene das Wort:
    – Ich merke schon: Was ich dem Jüngling aus Kirjath sagte, zieht irgendwie böse Folgen nach sich. Auch befürchte ich, Hegemon, dass ihm ein Unglück geschieht, und er tut mir aufrichtig leid.
    – Und ich denke –, entgegnete ihm der Statthalter mit seltsamem Lächeln, – es gibt noch jemanden in der Welt, und der sollte dir wesentlich mehr leidtun als Judas von Kirjath, weil es ihm sehr viel schlimmer ergehen wird als Judas! … Aber wie dem auch sei: Marcus Rattenschreck, ein überzeugter und eiskalter Schlächter, die Leute, die, wie ich sehe –, der Statthalter zeigte auf Jeschuas entstelltes Gesicht, – dich für all deine Predigten prügelten, Dysmas und Gestas, zwei Wegelagerer, die zusammen mit ihren Spießgesellen vier Soldaten erdolchten, und schließlich Judas, ein schmutziger Denunziant – sie alle sind gute Menschen! Nicht wahr?
    – Ja –, gab der Häftling zur Antwort.
    – Und das Reich der Wahrheit wird kommen?
    – Wird kommen, Hegemon –, sagte Jeschua tief überzeugt.
    – Es wird niemals kommen! –, schrie plötzlich Pilatus mit einer so schrecklichen Stimme, dass Jeschua zurückwich. So schrie Pilatus vor vielen Jahren im Tal der Jungfrauen seinen Reitern zu: »Haut sie! Haut sie! Der große Rattenschreck sitzt in der Falle!« Jetzt strapazierte er sogar noch mehr seine vom Kommandieren arg angeschlagene Stimme und brüllte, damit auch jeder im Garten ihn deutlich hörte: – Verbrecher! Verbrecher! Verbrecher!
    Und, wieder leiser geworden, fragte er:
    – Jeschua Ha-Nozri, glaubst du an irgendwelche Götter?
    – Gott ist nur einer –, erwiderte Jeschua. – An ihn glaube ich.

    – Dann bete zu ihm! Und bete gut! Wobei es dir aber … –, Pilatus’ Stimme erlosch, – nicht wirklich mehr hilft. Hast du ein Weib? –, fragte Pilatus voll unerklärlicher Wehmut, ohne zu wissen, wie ihm geschah.
    – Nein, ich bin allein.
    – Verfluchte Stadt … –, brummte Pilatus scheinbar grundlos, zuckte die Achseln, als wäre ihm kalt, und rieb sich die Hände, ganz so, als wollte er sie waschen, – … hätte man dich vor deinem Treffen mit Judas von Kirjath erstochen, es wäre wohl besser gewesen.
    – Lass mich doch einfach laufen, Hegemon –, bat plötzlich der Häftling, und seine Stimme klang besorgt. – Ich sehe, man will mich töten.
    Pilatus’ Gesicht verzog sich im Krampf. Dann richtete er auf Jeschua seine geschwollenen, mit roten Äderchen übersäten Augen und sprach:
    – Unglücklicher! Meinst du im Ernst, ein Vertreter des Römischen Reiches würde einen Mann freilassen, der das verkündet, was du verkündest? Ihr Götter, ihr Götter! Soll ich vielleicht so enden wie du? Nein, deine Gedanken teile ich nicht! Und darum höre: Solltest du von diesem Moment an auch nur ein Wort zu jemandem sagen, dann sieh dich vor! Jawohl, dann sieh dich vor!
    – Hegemon …
    – Mund halten! –, brüllte Pilatus und warf einen wütenden Blick der Schwalbe nach, die erneut auf die Galerie geflitzt war. – Her zu mir! –, rief Pilatus.
    Und nachdem der Sekretär und die Eskorte ihre Plätze wieder eingenommen hatten, erklärte der Statthalter, das Todesurteil des Kleinen Synedrions für den Verbrecher Jeschua Ha-Nozri werde von ihm bestätigt. Und der Sekretär notierte die Worte des Statthalters.
    Schon eine Minute später stand vor dem Statthalter Marcus Rattenschreck. Ihm befahl der Statthalter, den Delinquenten unverzüglich dem Kommandanten des Geheimdienstes zu überantworten. Er verordne des Weiteren, Jeschua Ha-Nozri von anderen Verurteilten fernzuhalten. Darüber hinaus sei es dem Kommandanten des Geheimdienstes streng untersagt, mit Jeschua zu reden oder auch nur seine Fragen zu beantworten.
    Auf Marcus’ Handzeichen hin gruppierte sich die Eskorte um Jeschua und führte ihn von der Galerie.
    Nun erschien vor dem Statthalter ein prächtiger Mann mit hellem Bart. Sein Helmknauf von Adlerfedern geschmückt, die Brust von leuchtenden Löwenschnauzen, das Schwertgehänge von Goldbeschlägen. Er trug Sandalen mit dreifacher Sohle, bis unter die Knie geschnürt, und einen purpurnen Mantel über die linke

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