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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dert Jahren, wie er 342
    den Gymnasiasten predigt: Klingsor, ge boren 1877, und sein Zeitgenosse Louis, genannt der Viel fraß, Erneuerer der Malerei, Befreiung vom Naturalismus der Farbe, bei näherer Betrachtung zerfällt dies Künstlerpaar in drei deutlich unterscheidbare Perioden! Lieber komme ich noch heut unter eine Lokomotive.«
    »Gescheiter wäre es, es kämen die Professoren darunter.«
    »So große Lokomotiven gibt es nicht. Du weißt, wie klein lich unsre Technik ist.«
    Schon kamen Sterne herauf. Plötzlich stieß Louis sein Glas an das des Freundes.
    »So, wir wollen anstoßen und austrinken. Dann setze ich mich auf mein Rad und adieu. Nur keinen langen Abschied! Der Wirt ist bezahlt. Prosit, Klingsor!«
    Sie stießen an, sie tranken aus, im Garten stieg Louis aufs Zweirad, schwang den Hut, war fort. Nacht, Sterne.
    Louis war in China. Louis war eine Legende.
    Klingsor lächelte traurig. Wie liebte er diesen Zug-vogel! Lange stand er im Kies des Wirtsgartens, sah die leere Straße hinab.
    Der Kareno-Tag
    Zusammen mit den Freunden aus Barengo und mit Agosto und Ersilia unternahm Klingsor die Fußreise nach Kareno. Sie sanken in der Morgenstunde, zwischen den stark duften den Spiräen und umzittert von den noch betauten Spinnge
    weben der Waldränder, durch den

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    steilen warmen Wald hinab in das Tal von Pampambio, wo vom Sommertag be täubt an der gelben Straße grelle gelbe Häuser schliefen, vornübergeneigt und halbtot, und am versiegten Bach die weißen metallenen Weiden hingen mit schweren Flügeln über den goldenen Wiesen. Farbig schwamm die Karawane der Freunde auf der rosigen Straße durch das dampfende Talgrün: die Männer weiß und gelb in Leinen und Seide, die Frauen weiß und rosa, der herrliche veronesergrüne Sonnen schirm Ersilias funkelte wie ein Kleinod im Zauberring.
    Melancholisch klagte der Doktor mit der menschen-freundlichen Stimme: »Es ist ein Jammer, Klingsor, Ihre wunderbaren Aquarelle werden in zehn Jahren alle weiß sein; diese Farben, die Sie bevorzugen, halten alle nicht.«
    Klingsor: »Ja, und was noch schlimmer ist: Ihre schö-
    nen braunen Haare, Doktor, werden in zehn Jahren alle grau sein, und eine kleine Weile später liegen unsere hübschen frohen Knochen irgendwo in einem Loch in der Erde, leider auch Ihre so schönen und gesunden Knochen, Ersilia. Kinder, wir wollen nicht so spät im Leben noch anfangen, ver nünftig zu werden. Hermann, wie spricht Li Tai Po?« Hermann der Dichter blieb stehen und sprach:
    »Das Leben vergeht wie ein Blitzstrahl,
    Dessen Glanz kaum so lange währt, daß man ihn sehen kann.

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    Wenn die Erde und der Himmel ewig unbeweglich

    stehen,
    Wie rasch fl iegt die wechselnde Zeit über das Antlitz der
    Menschen.
    O du, der du beim vollen Becher sitzest und

    nicht
    trinkst,
    O sage mir, auf wen wartest du noch?«
    »Nein«, sagte Klingsor, »ich meine den anderen Vers, mit Reimen von den Haaren, die am Morgen noch dunkel wa ren –«
    Hermann sagte alsbald den Vers:
    »Noch am Morgen glänzten deine Haare wie schwarze Seide,
    Abend hat schon Schnee auf sie getan.
    Wer nicht will, daß er lebendigen Leibes sterbend leide,
    Schwinge den Becher und fordre den Mond als

    Kumpan!«
    Klingsor lachte laut, mit seiner etwas heiseren Stimme.
    »Braver Li Tai Po! Er hatte Ahnungen, er wußte allerlei. Auch wir wissen allerlei, er ist unser alter kluger Bruder. Die ser trunkene Tag würde ihm gefallen, es ist gerade so ein lag, an dessen Abend es schön wäre, den Tod Li Tai Pos zu sterben, im Boot auf dem stillen Fluß.
    Ihr werdet sehen, alles wird heut wunderbar sein.«

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    »Was war das für ein Tod, den Li Tai Po auf dem Fluß ge storben ist?« fragte die Malerin.
    Aber Ersilia unterbrach, mit ihrer guten tiefen Stimme: »Nein, jetzt hört auf! Wer noch ein Wort von Tod und Ster ben sagt, den habe ich nicht mehr lieb. Finisca adesso, brutto Klingsor!«
    Klingsor kam lachend zu ihr herüber: »Wie haben Sie recht, bambina! Wenn ich noch ein Wort vom Sterben sage, dürfen Sie mir mit dem Sonnenschirm in beide Augen stoßen. Aber im Ernst, es ist heut wunderbar, liebe Menschen! EinVogel singt heut, der ist ein Mär-chenvogel, ich hab ihn schon am Morgen gehört. Ein Wind geht heut, der ist ein Märchenwind, das himmli-sche Kind, der weckt die schlafen den Prinzessinnen auf und schüttelt den Verstand aus den Köpfen. Heut blüht eine Blume, die ist eine Märchenblume, die ist blau und blüht nur einmal im Leben, und wer sie pfl ückt, der hat

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