Meistererzählungen
Plätze plötzlich in weißer Sonne auf schreiend, Afrika und Nagasaki, darüber der Wald, darunter der blaue Absturz, weiße, fette, satte Wolken oben.
»Es ist komisch«, sagte Klingsor, »wie lange man braucht, bis man sich in der Welt ein bißchen auskennt!
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Als ich einmal nach Asien fuhr, vor Jahren, kam ich im Schnellzug in der Nacht sechs Kilometer von hier vor-beigefahren, oder zehn, und wußte nichts. Ich fuhr nach Asien, und es war damals sehr notwendig, daß ich es tat.
Aber alles, was ich dort fand, das fi nde ich heut auch hier: Urwald, Hitze, schöne fremde Menschen ohne Nerven, Sonne, Heiligtümer. Man braucht so lang, bis man lernt, an einem einzigen Tage drei Erdteile zu besuchen. Hier sind sie. Willkommen, Indien! Willkom men, Afrika! Willkommen, Japan!«
Die Freunde kannten eine junge Dame, die hier oben hauste, und Klingsor freute sich auf den Besuch bei der Un bekannten sehr. Er nannte sie die Königin der Gebirge, so hatte eine geheimnisvolle morgenländische Er-zählung in den Büchern seiner Knabenjahre geheißen.
Erwartungsvoll brach die Karawane durch die blaue Schattenschlucht der Gassen, kein Mensch, kein Laut, kein Huhn, kein Hund. Aber im Halbschatten eines Fen-sterbogens sah Klingsor lautlos eine Gestalt stehen, ein schönes Mädchen, schwarzäugig, rotes Kopftuch um schwarzes Haar. Ihr Blick, still nach den Fremden lauernd, traf den sei nen, einen langen Atemzug lang schauten sie, Mann und Mädchen, sich in die Augen, voll und ernst, zwei fremde Welten einen Augenblick lang einander nah. Dann lächelten sich beide kurz und innig den ewigen Gruß der Geschlechter zu, die alte, süße, gierige Feindschaft, und mit einem Schritt um die Kante des Hauses war der fremde Mann hinwegge fl ossen und lag 353
in des Mädchens Truhe, Bild bei vielen Bil dern, Traum bei vielen Träumen. In Klingsors nie ersättigtem Herzen stach der kleine Stachel, einen Augenblick zö gerte er und dachte umzukehren, Agosto rief ihn, Ersilia fi ng zu singen an, eine Schattenmauer schwand hinweg, und ein kleiner greller Platz mit zwei gelben Palästen lag still und blendend im verzauberten Mittag, schmale steinerne Balkone, geschlossene Läden, herrliche Bühne für den ersten Akt einer Oper.
»Ankunft in Damaskus«, rief der Doktor. »Wo wohnt Fatme, die Perle unter den Frauen?«
Antwort kam überraschend aus dem kleineren Palast.
Aus der kühlen Schwärze hinter der halbgeschlossenen Balkon tür sprang ein seltsamer Ton, noch einer und zehnmal der gleiche, dann die Oktave dazu, zehnmal
– ein Flügel, der ge stimmt wurde, ein singender Flügel voller Töne mitten in Da maskus.
Hier mußte es sein, hier wohnte sie. Das Haus schien aber ohne Tor zu sein, nur rosig gelbe Mauer mit zwei Baikonen, darüber am Verputz des Giebels eine alte Malerei: Blumen blau und rot und ein Papagei. Eine gemalte Tür hätte hier sein müssen, und wenn man dreimal an sie pochte und den Schlüssel Salomonis dazu sprach, ging die gemalte Pforte auf, und den Wanderer empfi ng der Duft von persischen Ölen, hinter Schleiern thron-te hoch die Königin der Gebirge. Sklavinnen kauerten auf den Stufen zu ihren Füßen, der ge malte Papagei fl og kreischend auf die Schulter der Herrin.
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Sie fanden eine winzige Tür in einer Nebengasse, eine hef tige Glocke, teufl ischer Mechanismus, schrillte böse auf, eng wie eine Leiter führte eine steile Treppe empor.
Unausdenklich, wie der Flügel in dies Haus gekommen war. Durchs Fenster? Durchs Dach?
Ein großer schwarzer Hund kam gestürzt, ein kleiner blonder Löwe ihm nach, großer Lärm, die Stiege klapperte, hinten sang der Flügel elf mal den gleichen Ton.
Aus einem rosig getünchten Raum quoll sanftsüßes Licht, Türen schlu gen. War da ein Papagei?
Plötzlich stand die Königin der Gebirge da, schlanke ela stische Blüte, straff und federnd, ganz in Rot, brennende Flamme, Bildnis der Jugend. Vor Klingsors Auge stoben hun dert geliebte Bilder hinweg, und das neue sprang strahlend auf. Er wußte sofort, daß er sie malen würde, nicht nach der Natur, sondern den Strahl in ihr, den er empfangen hatte, das Gedicht, den holden herben Klang: Jugend, Rot, Blond, Amazone. Er würde sie ansehen, eine Stunde lang, vielleicht mehrere Stunden lang. Er würde sie gehen sehen, sitzen se hen, lachen sehen, vielleicht tanzen sehen, vielleicht singen hören.
Der Tag war gekrönt, der Tag hatte seinen Sinn gefunden. Was weiter dazu kommen mochte, war Geschenk, war Überfl uß. Immer war
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