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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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durch die Hügelgegend, war da und dort, während Klingsor 339
    malte. Manche Tage opferte Klingsor, dann saß er wieder verbissen draußen und arbeitete. Louis wollte nicht arbeiten. Louis war plötzlich abgereist, samt der Freundin, schrieb eine Karte aus weiter Ferne. Plötzlich war er wieder da, als Klingsor ihn schon verlorengegeben hatte, stand im Strohhut und off enen Hemde vor der Tür, als wäre er nie weggewesen. Noch ein mal sog Klingsor aus dem süßesten Becher seiner Jugendzeit den Trank der Freundschaft. Viele Freunde hatte er, viele liebten ihn, vielen hatte er gegeben, vielen sein rasches Herz geöff net, aber nur zwei von den Freunden hörten auch in diesem Sommer noch den alten Herzensruf von seinen Lip pen: Louis der Maler und der Dichter Hermann, genannt Th
    u Fu. An manchen Tagen saß Louis im Feld
    auf seinem Malstuhl, im Birnbaumschatten, im Pfl au-menbaumschatten, und malte nicht. Er saß und dachte und hielt Papier auf das Malbrett geheftet und schrieb, schrieb viel, schrieb viele Briefe. Sind Menschen glücklich, die so viele Briefe schrei
    ben? Er schrieb ange-
    strengt, Louis, der Sorglose, sein Blick hing eine Stunde lang peinlich am Papier. Viel Verschwiege nes trieb ihn um. Klingsor liebte ihn dafür.
    Anders tat Klingsor. Er konnte nicht schweigen. Er konnte sein Herz nicht verbergen. Von den heimlichen Leiden seines Lebens, von denen wenige wußten, ließ er doch die Nächsten wissen. Oft litt er an Angst, an Schwermut, oft lag er im Schacht der Finsternis gefangen, Schatten aus seinem frü hern Leben fi elen zuzeiten 340
    übergroß in seine Tage und machten sie schwarz. Dann tat es ihm wohl, Luigis Gesicht zu sehen. Dann klagte er ihm zuweilen. Louis aber sah diese Schwächen nicht gerne. Sie quälten ihn, sie forderten Mit leid. Klingsor gewöhnte sich daran, dem Freund sein Herz zu zeigen, und begriff zu spät, daß er ihn damit verliere.
    Wieder begann Louis von Abreise zu sprechen.
    Klingsor wußte, nun würde er ihn noch für Tage halten können, für drei, für fünf; plötzlich aber würde er ihm den gepackten Koff er zeigen und abreisen, um lange Zeit nicht wieder zukommen. Wie war das Leben kurz, wie unwiederbring lich war alles! Den einzigen seiner Freunde, der seine Kunst ganz verstand, dessen eigene Kunst der seinen nah und eben bürtig war, diesen einzigen hatte er nun erschreckt und belästigt, ihn verstimmt und abgekühlt, bloß aus dummer Schwäche und Bequemlichkeit, bloß aus dem kindlichen und unanständigen Bedürfnis, einem Freund gegenüber sich keine Mühe geben zu müssen, keine Geheimnisse vor ihm zu hüten, keine Haltung vor ihm zu bewahren. Wie dumm, wie knabenhaft war das gewesen! So strafte sich Klingsor, zu spät.
    Den letzten Tag wanderten sie zusammen durch die gol denen Täler, Louis war sehr guter Laune, Abreise war Le benslust für sein Vogelherz. Klingsor machte mit, sie hatten wieder den alten, leichten, spielenden und spöttischen Ton gefunden und ließen ihn nicht mehr los.
    Abends saßen sie im Garten des Wirtshauses. Fische 341
    ließen sie sich backen, Reis mit Pilzen kochen und gossen Maraschino über Pfi rsiche.
    »Wohin reist du morgen?« fragte Klingsor.
    »Ich weiß nicht.«
    »Fährst du zu der schönen Frau?«
    »Ja. Vielleicht. Wer kann das wissen? Frage nicht soviel. Wir wollen jetzt, zum Schluß, noch einen guten Weißwein trinken. Ich bin für Neuenburger.«
    Sie tranken; plötzlich rief Louis: »Es ist schon gut, daß ich abreise, alter Seehund. Manchmal, wenn ich so neben dir sitze, zum Beispiel jetzt, fällt mir plötzlich etwas Dummes ein. Es fällt mir ein, daß jetzt da die zwei Maler sitzen, die unser gutes Vaterland hat, und dann habe ich ein scheußli ches Gefühl in den Knien, wie wenn wir beide aus Bronze wären und Hand in Hand auf einem Denkmal stehen müß ten, weißt du, so wie der Goethe und der Schiller. Die kön nen schließlich auch nichts dafür, daß sie ewig dastehen und einander an der Bronzehand halten müssen, und daß sie uns allmählich so fatal und verhaßt geworden sind. Vielleicht wa ren sie ganz feine Kerle und reizende Burschen, vom Schiller habe ich früher einmal ein Stück gelesen, das war direkt hübsch. Und doch ist jetzt das aus ihm geworden, daß er ein berühmtes Vieh ist und neben seinem siamesi-schen Zwilling stehen muß, Gipskopf neben Gipskopf, und daß man ihre ge sammelten Werke herumstehen sieht und sie in den Schulen erklärt. Es ist schauderhaft. Denke dir, ein Professor in hun

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