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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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war ja die Art und Sprache einer Welt, zu der er nicht mehr gehörte. Sie mochte die gute, die bessere, die richtige Welt sein – es war nicht mehr die seine. Er ließ die Zeitung auf der Bank liegen und ging weiter. Aus einem Garten strahlten über dicht blühenden Rosenstämmen hinweg hundert bunte Lichter. Menschen gingen hinein, er schloß sich an, eine Kasse, Aufwärter, eine Wand mit Plaka ten. Mitten im Garten war ein Saal ohne Wände, nur ein gro ßes Zeltdach, von welchem alle die zahllosen vielfarbigen Lampen niederhingen. Viele halbbesetzte Gartentische füll ten den luftigen Saal; im Hintergrunde 442
    silbern, grün und rosa in grellen Farben glitzerte über-hell eine schmale erhöhte Bühne. Unter der Rampe sa-
    ßen Musikanten, ein kleines Or chester. Beschwingt und licht atmete die Flöte in die bunte warme Nacht hinaus, die Oboe satt und schwellend, das Cello sang dunkel, bang und warm. Auf der Bühne darüber sang ein alter Mann komische Lieder, sein gemalter Mund lachte starr, in seinem kahlen bekümmerten Schädel spie gelte das üppige Licht.
    Klein hatte nichts dergleichen gesucht, einen Augenblick fühlte er etwas wie Enttäuschung und Kritik und die alte Scheu vor dem einsamen Sitzen inmitten einer frohen und eleganten Menge; die künstliche Lustbarkeit schien ihm schlecht in den duftenden Gartenabend zu stimmen. Doch setzte er sich, und das aus so vielen buntfarbigen gedämpften Lampen niederrinnende Licht versöhnte ihn alsbald, es hing wie ein Zauberschleier über dem off enen Saal. Zart und innig glühte die kleine Musik herüber, gemischt mit dem Duft der vielen Rosen. Die Menschen saßen heiter und geschmückt in ge-dämpfter Fröhlichkeit; über Tassen, Flaschen und Eisbe-chern schwebten, von dem milden farbigen Licht hold be haucht und bepudert, helle Gesichter und schillernde Frauenhüte, und auch das gelbe und rosige Eis in den Bechern, die Gläser mit roten, grünen, gelben Limonaden klan gen in dem Bilde festlich und juwelenhaft mit.
    Niemand hörte dem Komiker zu. Der dürftige Alte stand gleichgültig und vereinsamt auf seiner Bühne und 443
    sang, was er gelernt hatte, das köstliche Licht fl oß an seiner armen Ge stalt herab. Er endete sein Lied und schien zufrieden, daß er gehen konnte. An den vorder-sten Tischen klatschten zwei, drei Menschen mit den Händen. Der Sänger trat ab und er schien bald darauf durch den Garten im Saale, an einem der ersten Tische beim Orchester nahm er Platz. Eine junge Dame schenkte ihm Sodawasser in ein Glas, sie erhob sich dabei halb, und Klein blickte hin. Es war die mit den gelben Haaren. Jetzt tönte von irgendwoher eine schrille Klingel lang und dringlich, es entstand Bewegung in der Halle. Viele gingen ohne Hut und Mantel hinaus. Auch der Tisch beim Orchester leerte sich, die Gelbe lief mit den andern hinaus, ihr Haar glänzte hell noch draußen in der Gartendämme rung. An dem Tisch blieb nur der alte Sänger sitzen.
    Klein gab sich einen Stoß und ging hinüber. Er grüßte den Alten höfl ich, der nickte nur.
    »Können Sie mir sagen, was dies Klingeln bedeutet?«
    fragte Klein.
    »Pause«, sagte der Komiker.
    »Und wohin sind all die Leute gegangen?«
    »Spielen. Jetzt ist eine halbe Stunde Pause, und so lange kann man im Kursaal drüben spielen.«
    »Danke. – Ich wußte nicht, daß auch hier eine Spielbank ist.«
    »Nicht der Rede wert. Nur für Kinder, höchster Einsatz fünf Franken.«

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    »Danke sehr.«
    Er hatte schon wieder den Hut gezogen und sich
    umge dreht. Da fi el ihm ein, er könnte den Alten nach der Gelben fragen. Der kannte sie.
    Er zögerte, den Hut noch in der Hand. Dann ging er weg. Was wollte er eigentlich? Was ging sie ihn an?
    Doch spürte er, sie ging ihn trotzdem an. Es war nur Schüchternheit, ir gendein Wahn, eine Hemmung. Eine leise Welle von Unmut stieg in ihm auf, eine dünne Wolke. Schwere war wieder im Anzug, jetzt war er wieder befangen, unfrei und über sich selbst ärgerlich. Es war besser, er ging nach Hause. Was tat er hier, unter den vergnügten Leuten? Er gehörte nicht zu ih nen. Ein Kellner, der Zahlung verlangte, störte ihn. Er war ungehalten.
    »Können Sie nicht warten, bis ich rufe?«
    »Entschuldigen, ich dachte, der Herr wolle gehen.
    Mir er setzt es niemand, wenn einer drausläuft.«
    Er gab mehr Trinkgeld, als nötig war.
    Als er die Halle verließ, sah er aus dem Garten her die Gelbe zurückkommen. Er wartete und ließ sie an sich vor übergehen. Sie schritt aufrecht, stark und

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