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Meisternovellen

Meisternovellen

Titel: Meisternovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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wußte, sie müsse mir nun bald einen Blick hergeben, sie müsse es. Hinten im Saale begann jemand Klavier zu spielen. Die Töne perlten leise herüber, auf und ab in flüchtigen Skalen, drüben lachte jetzt eine Gesellschaft lärmend über irgendeinen albernen Scherz, ich hörte alles, fühlte alles, was geschah, ohne aber für eine Minute nachzulassen. Ich zählte jetzt laut vor mich hin die Sekunden, während ich an ihren Lidern zog und sog, während ich von fern durch die Hypnose des Willens ihren störrisch niedergebeugten Kopf aufheben wollte. Minute auf Minute rollte vorüber – immer perlten die Töne von drüben dazwischen – und schon spürte ich, daß meine Kraft nachließ – da plötzlich hob sie mit einem Ruck sich auf und sah mich an, gerade hin auf mich. Wieder war es der gleiche Blick, der nicht endete, ein schwarzes, furchtbares, saugendes Nichts, ein Durst, der mich einsog, ohne Widerstand. Ich starrte in diese Pupillen hinein wie in die schwarze Höhlung eines photographischen Apparates und spürte, daß er zuerst mein Gesicht nach innen zog in das fremde Blut hinein, und ich wegstürzte von mir; der Boden schwand unter meinen Füßen, und ich empfand die ganze Süße des schwindelnden Sturzes. Hoch oben über mir hörte ich noch die klingenden Skalen auf und nieder rollen, aber schon wußte ich nicht mehr, wo mir dies geschah. Mein Blut war weggeströmt, mein Atem stockte. Schon spürte ich, wie es mich würgte, diese Minute oder Stunde oder Ewigkeit – da schlugen ihre Lider wieder zu. Ich tauchte auf wie ein Ertrinkender aus dem Wasser, frierend, geschüttelt von Fieber und Gefahr.
    Ich sah um mich. Mir gegenüber saß unter den Menschen, still über ein Buch gebeugt, wieder nur mehr ein schlankes, junges Mädchen, regungslos bildhaft, nur leise unter dem dünnen Gewand wippte das Knie. Auch meine Hände zitterten. Ich wußte, daß jetzt dieses wollüstige Spiel von Erwartung und Widerstand wieder beginnen sollte, daß ich Minuten angespannt fordern mußte, um dann plötzlich wieder so in schwarze Flammen getaucht zu werden von einem Blick. Meine Schläfen waren feucht, in mir siedete das Blut. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich stand auf, ohne mich umzuwenden, und ging hinaus.
    Weit war die Nacht vor dem glänzenden Haus. Das Tal schien versunken, und der Himmel glänzte feucht und schwarz wie nasses Moos. Auch hier war keine Kühlung, noch immer nicht, überall auch hier das gleiche, gefährliche Sichgatten von Dürsten und Trunkenheit, das ich im Blute spürte. Etwas Ungesundes, Feuchtes, wie die Ausdünstung eines Fiebernden, lag über den Feldern, die milchweißen Dunst brauten, ferne Feuer zuckten und geisterten durch die schwere Luft, und um den Mond lag ein gelber Ring und machte seinen Blick bös. Ich fühlte mich unendlich müde. Ein geflochtener Stuhl, noch vom Tag her vergessen, stand da: ich warf mich hinein. Die Glieder fielen von mir ab, regungslos streckte ich mich hin. Und da, nur nachgebend angeschmiegt an das weiche Rohr, empfand ich mit einem Male die Schwüle als wunderbar. Sie quälte nicht mehr, sie drängte sich nur an, zärtlich und wollüstig, und ich wehrte ihr nicht. Nur die Augen hielt ich geschlossen, um nichts zu sehen, um stärker die Natur zu fühlen, das Lebendige, das mich umfing. Wie ein Polyp, ein weiches, glattes, saugendes Wesen umdrängte mich jetzt, berührte mich mit tausend Lippen die Nacht. Ich lag und fühlte mich nachgeben, hingeben an irgend etwas, das mich umfaßte, umschmiegte, umringte, das mein Blut trank, und zum erstenmal empfand ich in dieser schwülen Umfassung sinnlich wie eine Frau, die sich auflöst in der sanften Ekstase der Hingebung. Ein süßes Grauen war es mir, mit einem Male widerstandslos zu sein und ganz meinen Leib nur der Welt hinzugeben, wunderbar war es, wie dies Unsichtbare meine Haut zärtlich anrührte und allmählich unter sie drang, mir die Gelenke lockerer löste, und ich wehrte mich nicht gegen dieses Laßwerden der Sinne. Ich ließ mich hingleiten in das neue Gefühl, und dunkel, traumhaft empfand ich nur, daß dies: die Nacht und jener Blick von früher, die Frau und die Landschaft, daß dies eins war, in dem es süß war, verloren zu sein. Manchmal war mir, als wäre diese Dunkelheit nur sie, und jene Wärme, die meine Glieder rührte, ihr eigener Leib, gelöst in Nacht wie der meine, und noch im Traume sie empfindend, schwand ich hin in dieser schwarzen, warmen Welle von wollüstiger Verlorenheit.
    Irgend

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