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Meisternovellen

Meisternovellen

Titel: Meisternovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Fenster stand ein Fremdes: eine verwandelte Nacht, neu und gefährlich, schwarzfunkelnd und voll wilder Regsamkeit. Ein Sausen war dort, ein furchtbares Rauschen, und schon baute sichs auf zum schwarzen Turm des Himmels, schon warf sichs mir entgegen aus der Nacht, kalt, feucht und mit wildem Stoß: der Wind. Aus dem Dunkel sprang er, gewaltig und stark, seine Fäuste rissen an den Fenstern, hämmerten gegen das Haus. Wie ein furchtbarer Schlund war das Finstere aufgetan, Wolken fuhren heran und bauten schwarze Wände in rasender Eile empor, und etwas sauste gewalttätig zwischen Himmel und Welt. Weggerissen war die beharrliche Schwüle von dieser wilden Strömung, alles flutete, dehnte, regte sich, eine rasende Flucht war von einem Ende zum andern des Himmels, und die Bäume, die in der Erde festgewurzelten, stöhnten unter der unsichtbaren, sausenden, pfeifenden Peitsche des Sturmes. Und plötzlich riß dies weiß entzwei: ein Blitz, den Himmel spaltend bis zur Erde hinab. Und hinter ihm knatterte der Donner, als krachte das ganze Gewölk in die Tiefe. Hinter mir rührte sichs. Sie war aufgefahren. Der Blitz hatte den Schlaf von ihren Augen gerissen. Verwirrt starrte sie um sich. »Was ists«, sagte sie, »wo bin ich?« Und ganz anders war die Stimme als vordem. Angst bebte noch darin, aber der Ton klang jetzt klar, war scharf und rein wie die neugegorene Luft. Wieder riß ein Blitz den Rahmen der Landschaft auf: im Flug sah ich den erhellten Umriß der Tannen, geschüttelt vom Sturm, die Wolken, die wie rasende Tiere über den Himmel liefen, das Zimmer kalkweiß erhellt und weißer als ihr blasses Gesicht: Sie sprang empor. Ihre Bewegungen waren mit einem Male frei, wie ich sie nie an ihr gesehen. Sie starrte mich an in der Dunkelheit. Ich spürte ihren Blick schwärzer als die Nacht. »Wer sind Sie … Wo bin ich?« stammelte sie und raffte erschreckt das aufgesprengte Gewand über der Brust zusammen. Ich trat näher, sie zu beruhigen, aber sie wich aus. »Was wollen Sie von mir?« schrie sie mit voller Kraft, da ich ihr nahe kam. Ich wollte ein Wort suchen, um sie zu beruhigen, sie anzusprechen, aber da merkte ich erst, daß ich ihren Namen nicht kannte. Wieder warf ein Blitz Licht über das Zimmer. Wie mit Phosphor bestrichen, blendeten kalkweiß die Wände, weiß stand sie vor mir, die Arme im Schrecken gegen mich gestemmt, und in ihrem nun wachen Blick war grenzenloser Haß. Vergebens wollte ich im Dunkel, das mit dem Donner auf uns niederfiel, sie fassen, beruhigen, ihr etwas erklären, aber sie riß sich los, stieß die Türe auf, die ein neuer Blitz ihr wies, und stürzte hinaus. Und mit der Tür, die zufiel, krachte der Donner nieder, als seien alle Himmel auf die Erde gefallen.
    Und dann rauschte es, Bäche stürzten von unendlicher Höhe wie Wasserfälle, und der Sturm schwenkte sie als nasse Taue prasselnd hin und her. Manchmal schnellte er Büschel eiskalten Wassers und süßer, gewürzter Luft zum Fensterrahmen herein, wo ich schauend stand, bis das Haar mir naß war und ich troff von den kalten Schauern. Aber ich war selig, das reine Element zu fühlen, mir war, als löste nun auch meine Schwüle sich in den Blitzen los, und ich hätte schreien mögen vor Lust. Alles vergaß ich in dem ekstatischen Gefühl, wieder atmen zu können und frisch zu sein, und ich sog diese Kühle in mich wie die Erde, wie das Land: ich fühlte den seligen Schauer des Durchrütteltseins wie die Bäume, die sich zischend schwangen unter der nassen Rute des Regens. Dämonisch schön war der wollüstige Kampf des Himmels mit der Erde, eine gigantische Brautnacht, deren Lust ich mitfühlend genoß. Mit Blitzen griff der Himmel herab, mit Donner stürzte er auf die Erbebende nieder, und es war in diesem stöhnenden Dunkel ein rasendes Ineinandersinken von Höhe und Tiefe, wie von Geschlecht zu Geschlecht. Die Bäume stöhnten vor Wollust, und mit immer glühenderen Blitzen flocht sich die Ferne zusammen, man sah die heißen Adern des Himmels offenstehen, sie sprühten sich aus und mengten sich mit den nassen Rinnsalen der Wege. Alles brach auseinander und stürzte zusammen, Nacht und Welt – ein wunderbarer neuer Atem, in den sich der Duft der Felder vermengte mit dem feurigen Odem des Himmels, drang kühl in mich ein. Drei Wochen zurückgehaltener Glut rasten sich in diesem Kampf aus, und auch in mir fühlte ich die Entspannung. Es war mir, als rausche der Regen in meine Poren hinein, als durchsause reinigend der Wind meine

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