Melodie der Liebe
herum?“
Sie musste kichern. „Irgendwie schon.“
„Bei mir auch.“
„Wirklich?“ Ihre Augen weiteten sich.
„Wirklich. Ich muss heute Morgen auch zur Schule, genau wie du.“
Sie zupfte an den pinkfarbenen Schleifen, die er ihr an die Zöpfe gebunden hatte. Sie wusste, dass es für ihn nicht dasselbe sein würde, aber das sagte sie ihm nicht. Sonst würde er wieder so traurig schauen. Freddie hatte einmal gehört, wie er mit Tante Nina redete. Und er war ärgerlich geworden, als sie etwas davon sagte, dass er ihre Nichte ausgerechnet in den entscheidenden Jahren aus der gewohnten Umgebung reiße.
Freddie wusste nicht genau, was mit den entscheidenden Jahren gemeint war, aber sie wusste, dass ihr Daddy sich aufgeregt hatte. Und dass er auch noch traurig ausgesehen hatte, als Tante Nina längst fort war. Sie wollte ihn nicht wieder traurig machen. Er sollte nicht denken, dass Tante Nina Recht hatte. Wenn sie nach New York zurückkehrten, würde es Schaukeln nur im Park geben.
Außerdem mochte sie das große Haus und ihr neues Zimmer. Und was noch besser war, ihr Vater arbeitete ganz in der Nähe, und deshalb würde er abends lange vor dem Essen nach Hause kommen. Sie zog die Lippen ein, um keinen Schmollmund zu machen. Da sie gern hier bleiben wollte, würde sie wohl zur Schule müssen.
„Wirst du da sein, wenn ich zurückkomme?“
„Ich glaube schon. Wenn nicht, hast du ja Vera“, sagte er und wusste, dass er sich auf ihre langjährige Haushälterin verlassen konnte. „Du musst mir nachher genau erzählen, wie es dir ergangen ist.“ Er küsste sie auf den Kopf und stellte sie auf den Boden.
In ihrem pink-weißen Spielanzug wirkte sie herzzerreißend klein und zierlich. Ihre grauen Augen waren ernst, die Unterlippe vibrierte. Er unterdrückte den Drang, sie auf den Arm zu nehmen und ihr zu versprechen, dass sie nirgendwohin müsse, wo sie Angst haben würde. „Lass uns nachsehen, was Vera dir in die neue Lunchbox gepackt hat.“
Zwanzig Minuten später stand er am Straßenrand, Freddies winzige Hand in seiner. Fast so angsterfüllt wie seine Tochter sah er dem großen gelben Schulbus entgegen, der gerade über den Hügel kam.
Ich hätte sie selbst zur Schule fahren sollen, schoss es ihm in plötzlicher Panik durch den Kopf. Jedenfalls die ersten Tage. Stattdessen setze ich sie zu all diesen fremden Kindern in den Bus. Aber es war besser so. Er wollte, dass ihr alles ganz normal vorkam, dass sie sich in die Gruppe integrierte und von Anfang an dazugehörte.
Wie konnte er sie allein davonlassen? Sie war noch ein Baby. Sein Baby. Und wenn er es falsch machte? Es ging nicht nur darum, ihr das richtige Kleid auszusuchen. Es ging darum, dass er seiner Tochter sagte, sie solle allein in den Bus einsteigen, und sie sich selbst überließ. Nur weil dies der vorgesehene Tag und die vorgesehene Uhrzeit war.
Wenn der Fahrer nun sorglos war und einen Abhang hinunterfuhr? Wie konnte er sicher sein, dass jemand Freddie am Nachmittag wieder in den richtigen Bus setzte?
Der Bus rollte rumpelnd aus, und seine Finger legten sich fester um Freddies Hand. Als die Tür mit einem Zischen aufging, war er so weit, dass er fast davongelaufen wäre.
„Hallo, ihr zwei.“ Die wohlbeleibte Frau hinter dem Lenkrad nickte ihnen mit breitem Lächeln zu. Hinter ihr tobten die Kinder auf den Sitzen herum. „Sie müssen Professor Kimball sein.“
„Ja.“ Ihm lag eine ganze Reihe von Entschuldigungen auf der Zunge, warum er Freddie nicht in den Bus setzen konnte.
„Ich bin Dorothy Mansfield. Die Kids nennen mich einfach Miss D. Und du bist bestimmt Frederica.“
„Ja, Ma’am.“ Sie biss sich auf die Unterlippe, um sich nicht einfach umzudrehen und das Gesicht an ihrem Daddy zu vergraben. „Sagen Sie einfach Freddie zu mir.“
„Puh.“ Miss D. strahlte sie an. „Bin froh, das zu hören. Frederica ist doch ein ziemlich gewichtiger Name. Also, hüpf an Bord, Freddie. Dein großer Tag hat begonnen. Und du, John Harman, gib Mikey sofort das Buch zurück. Es sei denn, du willst den Rest der Woche auf dem heißen Platz direkt hinter mir verbringen.“
Mit feuchten Augen setzte Freddie den Fuß auf die erste Stufe. Sie schluckte, bevor sie die zweite Stufe meisterte.
„Warum setzt du dich nicht zu JoBeth und Lisa?“ schlug Miss D. freundlich vor. Dann drehte sie sich wieder zu Spence um und winkte ihm augenzwinkernd zu. „Machen Sie sich keine Sorgen, Professor. Wir werden gut auf sie aufpassen.“
Fauchend
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