Melodie der Liebe
wie sie aussah, wie sie klang und wie sie duftete. Er war hier, um seiner Tochter ein Geschenk zu kaufen, nicht um mit der Inhaberin zu flirten. Grinsend sah er einem einsamen Pandabären ins Gesicht. Kein Gesetz hinderte ihn daran, beides gleichzeitig zu tun. „Ich bin sicher, Bonnie wird sich riesig freuen“,sagte Natasha und nahm der Kundin das Miniatur-Karussell ab. „Es ist ein wunderschönes Geburtstagsgeschenk.“
„Sie hat es vor einigen Wochen hier entdeckt und redet seitdem von nichts anderem mehr.“ Bonnies Großmutter versuchte keine Miene zu verziehen, als sie den Preis las. „Ich nehme an, sie ist groß genug, um vorsichtig damit umzugehen.“
„Bonnie ist ein sehr verantwortungsbewusstes Mädchen“, beruhigte Natasha sie. Dann sah sie Spence am Tresen stehen. „Ich bin gleich bei Ihnen“, sagte sie in seine Richtung. Die Temperatur ihrer Stimme fiel um einige Grade ab. Bis in den Minusbereich.
„Lassen Sie sich Zeit.“ Er ärgerte sich, dass er so intensiv auf ihre Gegenwart reagierte, während sie ihn geradezu frostig begrüßte. Offenbar hatte sie beschlossen, ihn nicht zu mögen. Könnte interessant werden, dachte Spence, während er zusah, wie sie mit geschickten schlanken Fingern das Karussell einpackte. Welche Gründe mochte sie für ihre Abneigung haben?
Vielleicht schaffte er es, sie zu einem Meinungsaustausch zu bewegen.
„Das wären fünfundfünfzig Dollar siebenundzwanzig, Mrs. Mortimer.“
„Aber nein, meine Liebe, auf dem Preisschild stand siebenundsechzig Dollar.“
Natasha wusste, dass Mrs. Mortimer mit jedemCent rechnen musste, und lächelte nur. „Tut mir Leid. Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass es ein Sonderangebot ist?“
„Nein.“ Mrs. Mortimer atmete erleichtert auf, während sie die Geldscheine zählte. „Nun, dann ist heute wohl mein Glückstag.“
„Und der von Bonnie.“ Natasha krönte das Geschenk mit einer hübschen Glückwunschschleife. Eine in Pink, denn das war Bonnies Lieblingsfarbe. „Vergessen Sie nicht, ihr von mir zu gratulieren.“
„Bestimmt nicht.“ Die stolze Großmutter griff nach dem Paket. „Ich kann es gar nicht abwarten, bis sie es auswickelt. Wiedersehen, Natasha.“
Natasha wartete, bis die Ladentür sich schloss. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Das war eben sehr freundlich von Ihnen.“
Sie hob eine Braue. „Was meinen Sie?“
„Sie wissen, was ich meine.“ Plötzlich spürte er das absurde Verlangen, ihr die Hand zu küssen. Unglaublich, dachte er. Er war fast fünfunddreißig und ließ sich auf eine Schwärmerei für eine Frau ein, die er so gut wie gar nicht kannte. „Ich wollte schon früher kommen.“
„So? War Ihre Tochter mit der Puppe unzufrieden?“
„Nein, sie liebt sie. Es ist nur so, dass …“ Um Himmels willen, jetzt stotterte er schon wieder. Keine fünf Minuten in ihrer Nähe, und er fühltesich so unsicher wie ein Teenager auf dem ersten Ball. „Ich dachte nur, irgendwie war unsere erste Begegnung etwas … missglückt. Sollte ich mich besser entschuldigen?“
„Wenn Sie möchten.“ Nur weil er attraktiv aussah und etwas verlegen wirkte, gab es noch lange keinen Grund, es ihm leichter als nötig zu machen. „Sind Sie deshalb gekommen?“
„Nein.“ Seine Augen verdunkelten sich, kaum merklich allerdings.
Natasha fragte sich, ob der erste Eindruck getrogen hatte. Vielleicht war er doch nicht so harmlos. In seinen Augen war noch etwas Tiefsinnigeres, etwas, das stärker und gefährlicher war. Am meisten überraschte sie jedoch, dass sie das erregend fand.
Über sich selbst verärgert, schenkte sie ihm ein höfliches Lächeln. „Es gibt also noch einen anderen Grund für Ihren Besuch?“
„Ich brauche etwas für meine Tochter.“ Zur Hölle mit dieser atemberaubenden russischen Prinzessin, dachte er. Er hatte sich um wichtigere Dinge zu kümmern.
„Was hatten Sie sich denn vorgestellt?“
„Ich weiß nicht genau.“ Das stimmte. Er stellteseine Aktentasche ab und sah sich suchend um.
Ein wenig besänftigt kam Natasha um den Tresen herum. „Hat sie Geburtstag?“
„Nein.“ Plötzlich kam er sich kindisch vor undzuckte mit den Schultern. „Es ist ihr erster Schultag, und sie sah so … so tapfer aus, als sie heute Morgen in den Bus kletterte.“
Diesmal fiel Natashas Lächeln spontan aus und war voller Wärme. Ihm blieb fast das Herz stehen. „Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte sie tröstend. „Wenn sie nach Hause kommt, wird sie vor Geschichten über alles und jeden
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