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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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nutzte ihren Schwung, um sie im Kreis herumzuwirbeln.
    »Ja, wer mag denn das sein?«, neckte er sie, als er sie wieder abgesetzt hatte. »Keine Zahnlücke mehr, keine Sommersprossen, und sie reicht mir nicht mehr bloß bis zur Taille. Das kann doch unmöglich Ariane sein!«
    Sie drehte sich in ihrem fast bodenlangen Kleid, um ihm zu zeigen, wie sehr sie gewachsen war, und lächelte ihn so offen an, als wäre er nur eine Woche fort gewesen. Während seiner Abwesenheit hatte sie ihm lange Briefe voller Rechtschreibfehler geschrieben, und er hatte sich immer wieder die Zeit genommen, ihr aus einem Paris zu berichten, das auch für ein Kind liebenswert war.
    »Wie alt bist du jetzt, sechzehn?«, fragte er.
    Sie lachte ihn aus. »Fast zwölf, du dummer Kerl.«
    Gabriel bot ihr seinen Arm, um mit ihr zum Haus zurückzugehen, und sie hüpfte neben ihm her, die Treppen hinauf zur Veranda und von dort in den Salon.
    »Außer mir hat keiner gesehen, wie du von Bord gegangen bist«, flüsterte sie ihm zu. »Sie wissen nicht, dass du hier bist.«
    »Wollen wir sie überraschen?«, flüsterte er zurück.
    Mit einem Grinsen und übertriebenem Gehen auf Zehenspitzen führte Ariane ihn auf die hintere Veranda, wo ihre Mutter und ihre Schwestern saßen und nähten. An der Tür angekommen, hob sie die Hand, um ihn zu stoppen. Und dann sprang sie mit dem ganzen Temperament ihrer kreolischen und Cajun-Abstammung auf die Veranda, breitete die Arme aus und rief: »Meine Damen, ich stelle Ihnen vor …«
    Gabriel trat hinaus, und seine Augen suchten Simone.
    Tante Josephine stieß einen kleinen Schrei aus und ließ ihren Schaukelstuhl gegen die Wand knallen, als sie die Arme nach ihrem Liebling Gabriel ausstreckte. Sie hatte ein paar graue Strähnen bekommen, bemerkte er, aber jetzt sprang sie auf, als wäre sie eine junge Frau. Er breitete die Arme aus, und sie umarmte ihn und lachte und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen.
    »Mein lieber Gabriel, da bist du ja endlich!«
    Gabriel hielt sie an seiner Seite umfangen, als er sich Musette zuwandte. Sie zögerte ein wenig, lächelte aber.
    Voller Rücksicht auf die Schüchternheit der Vierzehnjährigen, die noch unbeholfen im Umgang mit ihrer Weiblichkeit war, streckte Gabriel seine Hand aus. Musette nahm sie, ließ sich dann aber doch freudig in den Arm nehmen und auf den Scheitel küssen.
    Ariane tanzte die ganze Zeit um sie herum, und mit Musette an seiner einen Seite, Tante Josephine an der anderen, suchte Gabriel nach der dritten Cousine. Simone stand neben ihrem Stuhl, die Arme an den Seiten. Sie war weder schüchtern wie Musette, noch glücklich wie ihre Mutter. Was für eine Entschlossenheit sah er da in ihren Augen? Oder war es Zorn? Immer noch, nach so langer Zeit?
    Simone blickte ihm fest in die Augen, während sie auf ihn zuging. Kein Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. Würde zwischen ihnen jemals Friede herrschen?
    Zentimeter von ihm entfernt, blieb sie stehen. Er versuchte, das Zittern in seinen Gliedern zu unterdrücken, versuchte sich einzureden, dass sein Herz nicht zum Zerspringen klopfte, wenn er sie ansah. Dann hob sie sich auf die Zehenspitzen, legte ihm die Hand auf den Arm, um das Gleichgewicht zu halten, und küsste ihn fest auf den Mund.
    »Willkommen zu Hause, Gabriel«, sagte sie.
    Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Seine Tante hatte seinen Arm losgelassen und starrte die beiden jungen Menschen an, die vor ihr standen, aber er sah nur noch Simone: ihre hohen Wangenknochen, der Bogen ihrer Brauen, der Rahmen ihrer dunklen Haare. Und in den Tiefen ihrer Augen fand er die zweite Hälfte seiner Seele.
    Simone beendete den Blickwechsel. Sie sah ihre Mutter an, mit einer unausgesprochenen Botschaft in den Augen, kehrte zu ihrem Stuhl zurück, nahm ihre Näharbeit wieder zur Hand und setzte sich.
    Gabriel warf seiner geliebten Tante einen Blick zu. Die Freude war aus ihrem Gesicht gewichen, und er war unendlich traurig darüber.
    Er hatte das Angebot seines Vaters angenommen, in Paris Medizin zu studieren, um der Familie die Last seiner Zuneigung zu Simone zu ersparen. Natürlich hatte ihn auch das Fach gereizt, aber er hätte seine Ausbildung ebenso gut hier in den Staaten beenden können.
    Sein Ehrgefühl und die Liebe hatten seine Entscheidung bestimmt. Simone war siebzehn Jahre alt gewesen, als er nach Europa gegangen war. Während seiner Zeit in Paris, so hatte er gehofft, würde Simone ihre Verliebtheit vergessen, würde weiterleben, heiraten,

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