Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
Vom Netzwerk:
lassen.
    »Ja, dann bis morgen«, sagte er.
    Simone verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast tatsächlich Angst, auch nur einen Moment mit mir allein zu sein.«
    Gabriel betrachtete ihr zornig nach vorn gerecktes Kinn und hörte den bitteren Klang in ihrer Stimme. »Ja«, sagte er. Aber er ging nicht.
    Sie lehnte am Geländer der Veranda. »Du hast keine Frau aus Paris mitgebracht.«
    »Nein.« Gabriel hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen, als könnte er sich nicht bewegen, solange sie ihn ansah. »Und du hast nicht geheiratet.«
    »Der Mann, den ich mir ausgesucht hatte, wollte mich nicht«, gab sie zurück. »Vielleicht erinnerst du dich daran.«
    »Simone.« Er konnte ihren Namen nur flüstern. »Ich musste fort.«
    »Nein, musstest du nicht. Ich wäre mit dir gegangen. Wir hätten in den Norden gehen können oder nach Kanada, vielleicht sogar nach Frankreich.«
    »Aber du warst …«
    »Zu jung, ja, das hast du jedenfalls behauptet.«
    Gabriel schluckte schwer. Hinter ihrem Zorn spürte er den Schmerz, der immer noch brannte. Wenn er sie doch nur im Arm halten könnte, sie küssen könnte, ihr sagen könnte, wie sehr er sie liebte! Aber genau aus diesem Grund war er fortgegangen. Er durfte sie nicht lieben, und sie musste einen passenden Mann finden, keinen Farbigen, der in ihrer Welt niemals akzeptiert werden würde.
    »Du kannst mir nicht vergeben?«
    Sie ließ die Arme sinken und ging hinter ihm vorbei ins Haus.
    Gabriel ging den kurzen Weg zum Haus seiner Mutter. Tante Josie, Mamans Halbschwester und frühere Besitzerin, hatte ihr ein schönes Grundstück am Rand von Toulouse vermacht, genug Platz, um ein einstöckiges Haus zu bauen und einen Garten anzulegen. Hier verbrachte Cleo mit ihrer Familie die Sommer, wenn New Orleans praktisch geschlossen war. Ihr Liebhaber Bertrand Chamard, dessen Plantage auf der anderen Seite von Toulouse lag, hatte bald einen Pfad ausgetreten, durch die hinteren Felder von Toulouse bis zu dem Ort, wo sein Herz zu Hause war, zu Cleo und den beiden gemeinsamen Kindern. Deshalb war dies auch stets Gabriels wahres Zuhause gewesen, der Ort, wo er mit seinem Vater und seiner Mutter und mit der kleinen Nicolette eine echte Familie war, wo sie abends süße Beeren pflückten, wo sein Vater ihn und die kleine Schwester zu Bett brachte und wo Maman auf dem Klavier spielte und leise sang, bis sie eingeschlafen waren.
    An der alten Eiche mit dem Ast, der ein Stück über den Seitenarm des Flusses hinausragte, blieb Gabriel stehen. Hier gab es eine sandige Bucht mit Büschen und Bäumen. Ein Seil, inzwischen dunkel und zerschlissen, hing noch von dem Ast und bewegte sich im Wind. An einem Julimorgen hatte Gabriel es an einen Stein gebunden und sich in den Augen seiner kleineren Brüder endgültig zum Helden gemacht, indem er es unglaublich hoch über den Ast geworfen hatte. Jenen Sommer hatten Gabriel, Marcel und Yves zu dritt damit zugebracht, sich über das Wasser hinauszuschwingen, sich fallen zu lassen, zu kreischen, zu jauchzen und zu planschen. Damals war die Welt noch klein gewesen – und so viel einfacher.
    Als Gabriel sich dem Haus näherte, stand der alte Ben, Cleos Hausmeister, im Vorgarten und mähte das Gras mit einer Sense, die er mit beneidenswerter Kraft schwang. Bens alte Frau Claire schüttelte gerade einen Teppich über dem Geländer der Veranda aus und sah Gabriel als Erste. Sie stieß einen Freudenschrei aus und eilte die Treppe herunter, um ihn in ihre Arme zu schließen und fest zu drücken.
    Die zweite warme, wunderbare Begrüßung an diesem Tag; es gab hier so viele Menschen, die er liebte, und so viele Verbindungen.
    In der Abenddämmerung legte Gabriel die Füße auf das Geländer der Veranda und beobachtete den sommerlichen Sonnenuntergang. Der Duft seiner Zigarre vertrieb die Mücken. Als sein Vater endlich auf dem neuesten seiner schönen schwarzen Hengste angeritten kam, eilte er hinaus, um ihm entgegenzugehen.
    Vater und Sohn umarmten sich, als gälte es, drei Jahre der Liebe und Zuneigung nachzuholen.
    »Mein Gott, wie schön es ist, dich wiederzusehen«, sagte Chamard.
    »Komm und setz dich, Papa. Ich habe extra für dich einen ausgezeichneten Weinbrand mitgebracht.«
    Sie setzten sich auf die Veranda, legten beide die Füße aufs Geländer und lauschten den Grillen, während sie ihren Weinbrand genossen und eine Zigarre rauchten. Chamard erkundigte sich nach dem Wohlergeben seiner Nachbarin Josie und nach ihren Kindern und hörte Gabriels

Weitere Kostenlose Bücher