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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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in seinem Rücken verwurzelt ist.
    »Des Stärkeren«, flüstert Helmud, blickt über El Capitáns eine Schulter und wechselt mit einem Ruck auf die andere. Warum ist er heute so angespannt?
    »Lass das Rumhampeln«, befiehlt El Capitán.
    »Rumhampeln«, sagt Helmud.
    El Capitán hat ihm Sachen gegeben, mit denen er sich beschäftigen kann. Helmud hatte schon immer nervöse Hände. Es ist noch nicht lange her, da hat er still und leise eine Schlinge gebastelt, mit der er El Capitán erwürgen wollte – doch dann hat er ihm das Leben gerettet, und El Capitán hat beschlossen, dass er Helmud vertrauen muss. Er hat keine Wahl. Um ihn bei Laune zu halten, hat er ihm ein kleines Taschenmesser und Holz zum Schnitzen gegeben.
    »Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«, hat Bradwell ihn gefragt, und El Capitán hat geantwortet: »Natürlich bin ich mir sicher. Er ist doch mein Bruder!«
    Aber vielleicht ist das Messer nur ein Test – nach dem Motto: Ach, du willst mich umbringen? Sicher? Na dann los. Ich mach’s dir sogar leicht. Manchmal rieselt eine Wolke Holzspäne zu Boden, wenn El Capitán sich vorbeugt. Und heute schnitzt Helmud wie verrückt.
    El Capitán hockt sich auf eine große Wurzel und legt das Gewehr zu seinen Füßen auf die Erde. Er ist hungrig. Sie haben nicht gefrühstückt, bevor sie aufgebrochen sind. Nun wickelt er ein Sandwich aus einem Stück Wachspapier, ein Sandwich aus Brotkanten. Die Kanten sind ihm am liebsten; er fordert seine Zähne gerne heraus. »Zeit zu essen, Bruder«, sagt er.
    El Capitán ist es gewöhnt, dass Helmud seine Worte unaufhörlich nachspricht. Meist ist es bloß ein dümmliches Echo, aber gelegentlich scheinen die Worte etwas zu bedeuten. Jetzt betont Helmud den Satz ein bisschen anders: »Zeit zu essen Bruder «, sagt er, als hätte er vor, El Capitán zu verschlingen. Ein kleiner Witz, damit El Capitán auf der Hut bleibt.
    »Aber, aber«, sagt El Capitán. »Das ist nicht besonders nett, oder?«
    »Oder?«, fragt Helmud.
    »Eigentlich hast du es gar nicht verdient, dass ich dir was abgebe. Kapiert?« Bevor El Capitán auf Pressia getroffen ist, hätte er ihm tatsächlich nichts abgegeben, aber seitdem hat er sich ein wenig verändert. Er fühlt es im ganzen Körper, als würde sich eine Zelle nach der anderen wandeln. Hat Helmud die Veränderung bemerkt? Schließlich teilen sie eine Menge Zellen … Aber El Capitán ist nicht urplötzlich zu einem lieben Kerl mutiert. Im Inneren spürt er immer noch dieselbe lodernde Wut, zumindest meistens. Aber jetzt hat er wohl so etwas wie ein Ziel. Er hat etwas, das es wert ist, es zu beschützen. Ist es Pressia selbst? Nein, es ist größer. Vielleicht hat es mit ihr angefangen, aber es ist mehr.
    El Capitán reißt einen Brocken Brot und ein Stück des Fleischs herunter, das zwischen den Kanten steckt, und reicht es nach hinten. Er muss mit Helmud teilen. Ihre Herzen halten gemeinsames Blut in Gang. Wenn El Capitán helfen will, das Kapitol zu Fall zu bringen – und er wäre froh, diesen Tag mitzuerleben –, muss sein Bruder auf seiner Seite sein. Er muss gesund sein. Behandelt er Helmud grausam, behandelt er im Grunde sich selbst grausam. Vielleicht war er deshalb früher so gemein zu ihm. Bevor er Pressia kennengelernt hat, hatte El Capitán einen richtigen Hass auf sich selbst. Inzwischen hat es etwas nachgelassen, aber früher fühlte er sich immer wie ein verlassenes Kind. Zuerst wurde er von seinem Vater verlassen, einem durchgedrehten Piloten, den sie aus der Air Force geschmissen hatten. El Capitán wollte sein wie er und lernte alles, was er über Kampfjets lernen konnte – als hätte er seinen Vater dadurch vielleicht doch noch verdient. Dann starb seine Mutter. Offenbar hatte er gar keine Eltern verdient. Und danach ist er selbst ein bisschen durchgedreht, aber das lässt sich ja ändern. Oder? Pressia hat jedenfalls etwas Wertvolles in ihm entdeckt, und vielleicht hat sie recht. »Schau, wie nett ich bin«, sagt er zu Helmud.
    »Nett ich bin«, wiederholt Helmud.
    Heute ist El Capitán schon früh aufgebrochen, um den elektrischen Pulsen zu folgen. Sie scheinen das Hauptquartier immer enger einzukreisen, und das gefällt ihm nicht. Sie gehen ihm aus dem Weg. Doch jetzt spürt er etwas. Er ist sich sicher. Er kann die Pulse nicht entschlüsseln, aber er registriert, wenn sie sich mit erhöhter Frequenz bewegen. Das bedeutet, dass einer von ihnen eine Art Ruf ausgesandt hat, den die anderen

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