Memo von Meena (German Edition)
drauf haben, Meena. Mehr als die Frage nach dem Mann fürs Leben. Mehr als die Suche nach dem Sinn des Singledaseins. Mehr als die stellvertretende Faust für alle alleinstehenden Frauen, die glauben, dass die Welt ihr Feind ist.
Er hatte recht. Im Grunde war es ein Kompliment, das er ihr da unterzujubeln versucht hatte. Trotzdem war es unverschämt von ihm zu glauben, dass er in der Position war, seine Meinung zu äußern. Aber gab sie ihm mit der Rechtfertigung, die ihre Mail zweifellos darstellte, nicht allen Anlass, sich in dieser Position gestärkt zu fühlen?
Reue wurde in ihr wach. Warum hatte sie es nicht dabei belassen können? Was ging dieser Kerl und seine Meinung sie schon an?
Fast noch mehr ärgerte sie sich über ihren undurchdachten Gruß an Marc, den sie Oliver in der letzten Nachricht mit auf den Weg gegeben hatte. Sie hatte den Drang, ihn auf diese Weise zu verunsichern, nicht nachgeben können, zumal sie sich sicher war, dass er nicht ahnte, warum sie wusste, dass sie auf dem Bankett am selben Tisch gesessen hatten. Andererseits war es sicher auch nicht allzu abwegig für ihn, die Möglichkeit, dass sie trotz ihrer Abwesenheit noch immer äußerst mitteilungsfreudige Kolleginnen beim Magazin hatte, in Betracht zu ziehen. Kolleginnen, von denen nicht zu erwarten war, dass sie Beobachtungen wie die lebhafte Unterhaltung zwischen Meenas Ghostwriter und Meenas Verflossenem für sich behalten würden.
Der Gedanke, dass er sich mit Marc unterhalten hatte, nagte noch immer an ihr. War sie Thema ihres Gesprächs gewesen, möglicherweise sogar der Grund, dass sie überhaupt ins Gespräch gekommen waren? Noch immer war ihr schleierhaft, wie sie sich auf einen Mann wie Marc hatte einlassen können. Gemeinsam mit den Mädels aus der Modeabteilung hatte sie sich immer wieder über sein selbstverliebtes Auftreten amüsiert, und jetzt? Jetzt sollte sie für den einen Abend, an dem es ihr gelungen war, das selbstverliebte Auftreten zu ignorieren und sich stattdessen auf unverbindlichen Spaß einzulassen, für den Rest ihres Lebens bezahlen?
Sie verwarf die Gedanken wieder, die sie im selben Moment bereute. Immerhin hatte sie sich ganz bewusst dazu entschlossen, das Kind zu bekommen, es zu lieben und großzuziehen. Und ja, sie liebte es. Schon jetzt. Egal, wie sehr sie den Umstand hasste, ans Bett gefesselt zu sein. Und egal, wie schwer es ihr fiel, sich selbst als alleinerziehende Mutter zu sehen. Aber was wäre die Alternative gewesen? Ein Leben mit der personifizierten Oberflächlichkeit Marc Pielau?
Wieder fiel ihr die Mail an Oliver ein und die Suche nach dem Grund, aus dem sie sie geschrieben hatte. Warum ließ sie die Meinung eines Fremden noch immer nicht kalt? Sie kannte ihn nicht. Im Grunde wollte sie ihn auch gar nicht kennen. Neue Menschen bedeuteten Stress. Und Stress war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.
Sie klappte den Laptop zu und schob ihn unter das Kissen. Am besten sie vergaß die Mail genauso schnell, wie sie sie geschrieben hatte. Ein Besuch von Anja stand auf dem Plan, und sie hatte versprochen, ihr frische Erdbeeren mitzubringen. Und wie ließen sich die Nichtigkeiten des Lebens besser verdrängen als mit Erdbeeren und Schlagsahne?
Kapitel 12: Liebe Meena
16. Mai 2012, 15:32 Uhr
Von: Oliver Staude
An: Meena Teske
Liebe Meena,
auch wenn sie sicher eine andere Aufgabe hatte, als mich zu erfreuen, hat deine Mail genau dafür gesorgt: Dass ich mich freue. Ich freue mich, von dir zu hören. Ich freue mich, dass du einen Weg der Kommunikation gefunden hast, der es uns ermöglicht, die Einsilbigkeit von SMS zu umgehen. Und ich freue mich ebenso, dass du dir die Mühe machst, mir die Hintergründe deiner Arbeit zu erklären.
Gleichzeitig habe ich natürlich ein schlechtes Gewissen deswegen, weil ich das Gefühl habe, dass du dich rechtfertigst – und das war das Letzte, was ich mit meinem Kommentar neulich erreichen wollte.
Vielleicht hätte ich meine Meinung von vornherein für mich behalten müssen. Ganz sicher sogar. Vielleicht habe ich vergessen, dass wir uns im Grunde gar nicht kennen. Die Sache ist die, dass ich nach all den Stunden und Tagen, die ich mittlerweile mit dem Anhören deiner Memos und dem Eintauchen in deine Kolumne zugebracht habe, tatsächlich das Gefühl habe, dich zu kennen. Besser sogar als viele andere Menschen aus meinem unmittelbaren Umfeld. Du offenbarst dich in deinen Memos, Meena. Auch wenn du bei der Aufnahme sicher nie
Weitere Kostenlose Bücher