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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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erlebte ich in der Nähe von Kufstein. Hier blieb ich einige Tage, um mich satt zu essen und auszuruhen. Überrascht war ich, wie lässig und locker die Amerikaner ihre Gefangenen bewachten. So war es kein Problem, auch aus diesem Lager zu entweichen.
      Wieder ging es weiter zu Fuß, obgleich mir das immer schwerer fiel. Die Kolonnen wurden immer dichter, Jeeps und Panzer kamen nur im Schrittempo voran. Ich war vollkommen erschöpft. Aber Haus Seebichl war nicht mehr weit. Wörgl hatte ich schon hinter mir. Nun trennten mich nur noch 25 Kilometer von meinem Ziel. Meine Füße waren wund, jeder Schritt bedeutete Schmerzen. An einem Bauernhaus blieb ich stehen, weil ich neben dem Hauseingang ein Fahrrad entdeckt hatte. Mit dem Rad zu fahren, wäre eine Hilfe gewesen. Aber ich erinnerte mich an meinen Unfall bei dem ersten Versuch, es zu erlernen. In diesem Augenblick erschien es mir jedoch als einzige Möglichkeit, nach Hause zu kommen. Ich verhandelte mit der Bäuerin, doch sie wollte das Rad nicht hergeben, schon gar nicht für Geld. Ich bemerkte, daß sie mein Krokodilköfferchen bewundernd betrachtete, bot es ihr zum Tausch an, worauf sie einwilligte. Vor dem Bauernhaus versuchte ich erst, einige Kurven zu drehen, dann wagte ich mich auf die Landstraße. In Schlangenlinien fuhr ich an den Lastwagen und Jeeps vorbei. Der Wunsch, meine Mutter wiederzusehen, war größer als meine Angst.
      Als ich den schmalen Weg von der kleinen Eisenbahnstation «Schwarzsee» zu meinem Haus hinaufradelte, bekam ich Herzklopfen. Auf dem Dach wehte eine amerikanische Flagge. Die Fensterläden waren geöffnet. Ich zögerte, hineinzugehen. Im Flur kam mir ein amerikanischer Offizier entgegen, der mich so freundlich begrüßte, daß meine Furcht verschwand.
      «Frau Riefenstahl?» fragte er in gebrochenem Deutsch, «wir haben Sie schon lange erwartet». Er ging mit mir in den Wohnraum und bot mir Platz an.
      «Ich heiße Medenbach und freue mich, Sie kennenzulernen», sagte er lächelnd. «Sie brauchen nicht englisch zu sprechen, ich verstehe gut deutsch, ich habe einige Zeit in Wien studiert.»
      Waren dies unsere Feinde? Vor meinen Augen tauchten meine deutschen «Freunde», die Schneebergers, auf. Ich begann unruhig zu werden. Der Offizier, der den Rang eines Majors hatte, bemerkte es und sagte beruhigend: «Sie brauchen keine Angst zu haben, Sie haben Glück gehabt, wir haben zwar Ihr Haus beschlagnahmt, aber es wurde nichts weggenommen. Nur mußten wir alle, die hier wohnten, woanders einquartieren.»
      Noch wagte ich nicht, nach meiner Mutter zu fragen, aber Major Medenbach erriet meine Wünsche. Er sagte: «Ihre Mutter und alle Leute, die in dem Haus wohnten, haben wir wenige Kilometer von hier in einem Gutshof untergebracht, der der Familie Ribbentrop gehörte, kennen Sie diesen Besitz?» Ich verneinte.
      «Meine Mutter lebt und ist in meiner Nähe?» fragte ich ungläubig. Er nickte. «Es geht ihr gut», sagte er. Da klappte ich zusammen, die Freude, die erlittenen Schocks, die Strapazen, der tagelange Fußmarsch - ich begann hemmungslos zu weinen. Der Major legte die Hand auf meine Schulter und sagte: «Seien Sie gefaßt, ich habe noch eine Nachricht für Sie, eine gute.» Es entstand eine Pause. Der Amerikaner wartete ab, bis ich nicht mehr weinte, dann sagte er behutsam: «Ihr Mann lebt auch.» Betroffen sah ich ihn an. Peter lebt - ich konnte es nicht fassen. Wieder schüttelte es mich, und ich heulte und konnte nicht mehr aufhören.
      «Aber beruhigen Sie sich doch - beruhigen Sie sich», sagte der amerikanische Offizier.
      Dann erfuhr ich, daß er meinen Mann aus dem Kriegsgefangenenlager herausgeholt und als Chauffeur engagiert hatte, er sei bei meiner Mutter auf dem Gutshof.
      Der Major führte mich hinaus, setzte mich in einen Jeep und fuhr einen steilen, mir unbekannten Waldweg hinauf. Schon nach wenigen Kilometern hielten wir vor einem flachen Gebäudekomplex, der in einer Waldlichtung stand, es war der Besitz der Familie Ribbentrop. Erst lag ich meiner Mutter in den Armen, dann meinem Mann. Es war einfach unwirklich.
      Wenig später fand ich mich im Bett, an der Seite meines Mannes. Wie viele Jahre hatte ich diesen Augenblick herbeigesehnt, als Peter an der Eismeerfront stand und ich den Bombenhagel über Berlin erlebte. Nun sollte das alles vorbei sein - ein Leben in Frieden beginnen?
      Dieser Glückszustand war jedoch nur kurz und trügerisch. Schon nach wenigen Stunden wurden

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