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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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nachgelaufen sein und sich verirrt haben. Seit der höllischen Eisenbahnfahrt, während der sie sich die ganze Zeit ängstlich an Horst geschmiegt hatte, wich sie nicht mehr von seiner Seite, während sie vor dieser Reise immer nur bei mir gewesen war und jeden anfauchte, der mir zu nahe kam. Eine große Suchaktion wurde gestartet. Sie hielt uns einige Tage in Atem. In Hunderten von Häusern fragten wir nach — ohne Erfolg. Im Fernsehen und in Annoncen setzte ich hohe Belohnungen aus, aber niemand meldete sich. Auch die Polizei bemühte sich, aber die Suche war vergeblich — unsere «Resi», die wir so liebgewonnen hatten, blieb verschwunden. Tröstend war allerdings der Gedanke, daß das Äffchen es hier viel besser haben würde als im kalten München, wo ich es wohl im Zoo Hellabrunn hätte abgeben müssen.
      Unser erstes Ziel war Malakal, die kleine Hauptstadt der «Upper Nile Province». Der Gouverneur, der uns erwartete, hatte bereits ein reichhaltiges Programm ausarbeiten lassen. Ich war gespannt, welche Spuren der Unruhen, die auch Malakal in Aufruhr versetzt haben sollten, ich dort vorfinden würde. Wir besuchten Schulen und Krankenhäuser, sprachen mit Ärzten und auch mit katholischen Priestern. Von ihnen erhoffte ich Näheres über die blutigen Kämpfe zu erfahren, aber sie alle wichen meinen Fragen aus. Lange sprach ich mit Vater Piu und zwei Geistlichen aus Tansania, die wieder ungehindert predigen konnten. Auch in der «United Church» sprach keiner der Priester über die Opfer der Revolution. Eine Besonderheit der «United Church» waren die Sonntagsgottesdienste, in denen jede halbe Stunde ein anderer in einer der sechs verschiedenen Sprachen predigte. Jeder Stamm der «Upper Nile Province» hatte seinen eigenen Priester, die Dinka, Schilluk, Nuer, Anuak und andere. Auch in den Dinka- und Schilluk-Dörfern waren nirgends Spuren von Kämpfen oder abgebrannte Hütten zu entdecken. Wahrscheinlich waren diese inzwischen entfernt worden. Hierbei begegnete ich wieder dem Schilluk-König, der mit uns einen gemeinsamen Ausflug unternahm. Seine Autorität war unangetastet, jeder Schilluk warf sich ehrfurchtsvoll vor ihm zu Boden.
      Wau, die Hauptstadt der südlichen Provinz «Bahr el Ghazal», war unser nächstes Ziel. Ein fruchtbares Gebiet, das hauptsächlich von dem größten Stamm im Sudan, den Dinka, bewohnt wird. Wie die Schilluk sind die Dinka ein kriegerischer Stamm, und einige von ihnen hatten gegen die Nordsudanesen gekämpft. Auch hier trafen wir auf keine Spuren von Kämpfen. Wau, überragt von einer großen Kathedrale, ist im Gegensatz zu Malakal eine sehr saubere Stadt. In den Straßen fallen die gut, fast europäisch gekleideten Menschen ins Auge, und ein Wohlstand wird spürbar, der nur auf erfolgreiche Industrie zurückzuführen sein dürfte. So zeigte man uns eine neue Konservenfabrik, vor kurzem erbaut und mit russischen Maschinen eingerichtet.
      Hier wurden die überreichlich wachsenden Mangofrüchte zu Säften und Marmeladen verarbeitet und mit ihnen der ganze Sudan beliefert. Zu den wohlhabenden Kaufleuten zählten auffallend viele Griechen.
      Erstaunlicherweise durften wir in der «Catholic Church» filmen und fotografieren. Obgleich tausend Menschen in der Kirche Platz hatten, fanden ab sechs Uhr früh vier Gottesdienste statt, die immer überfüllt waren. Es war die größte Kirche, die ich im Sudan gesehen habe. Hier hatten wir ein seltsames Erlebnis. Als Horst in der Nahe des Altars filmte, wie der Priester den Gläubigen die Hostie gab, sahen die Schwarzen Horst verzückt an. Sie glaubten, Christus in ihm zu sehen. Er hatte während der Expedition zwanzig Kilo abgenommen, seine Arme und Beine waren dünn, sein Gesicht eingefallen, und mit einem Bart ähnelte er tatsächlich dem Christusbild in der Kirche. Horst war froh, als er wieder aus der Kirche herauskam.
      Bemerkenswert erschien mir in Wau kennenzulernen, wie man Eingeborenen eine Wahl nahebrachte. Für die zur Wahl stehenden Vertreter der verschiedenen Stämme wurden Stimmzettel ausgegeben, die mit einer symbolischen Zeichnung versehen waren. Da gab es ein Krokodil, ein Rind, eine Antilope oder auch einen Baum. Die Eingeborenen wußten, für welchen ihrer Häuptlinge das Symbol galt. Sie wählten mit einem Daumendruck. Vor dem Tisch mit den Stimmzetteln standen die Wähler in Schlangen an.
      Wir durften auch das Gefängnis besuchen. Es beherbergte über
    400 Menschen, unter ihnen auch Mörder und

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