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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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starker Wagen könnte uns von Tadoro fortbringen. Ein Aufenthalt während der Regenzeit mußte sehr gründlich vorbereitet werden. Eine Spezialkleidung wäre notwendig, die nicht nur Schutz vor den Unmengen von Moskitoschwärmen gibt, sondern auch gegen die vielen Schlangen, die es während der Regenzeit geben soll. Gegen sie haben die Nuba kein Schutzmittel. Die Messerschnitte, mit denen die Medizinmänner in leichten Fällen helfen können, führen meist zu starken Blutungen. Überhaupt bringt die Regenzeit viele Schrecken mit sich. Große Teile der Felder stehen unter Wasser, und um dorthin zu gelangen, müssen die Nuba bis über die Hüfte durch Wasser und Morast waten. Über Stellen, an denen das Wasser zu tief ist, spannen sie Seile, die sie selber flechten. Schwimmen können sie nicht und fürchten sich darum auch vor dem Wasser. Viele ertrinken, besonders ältere Leute. Andererseits hat die Regenzeit auch ihr Gutes: Es gibt Fische, sie zeichneten sie mir in den Sand, anscheinend eine ganz besondere Art, die im Schlamm des Grundwassers die Trokkenzeit überlebt. In unserer Rakoba haben wir beobachtet, daß unter dem ständig tropfenden Wassersack plötzlich kleine Frösche im Sand herumsprangen. In der Regenzeit wächst alles viel schneller. Dann pflanzen die Nuba um ihre Hütten Erdnüsse, Bohnen und etwas Mais an und speichern so während dieser Zeit reichlich Vitamine an. Vielleicht erklärt das, wieso sie in der Trockenzeit mit einer so vitaminarmen Nahrung auskommen.
      Es hatte nicht mehr geregnet, aber noch immer war es ungewiß, ob wir fortkämen. Der Boden war noch viel zu naß. Wir hatten den Wagen voll beladen, um sofort startbereit zu sein. Aber die Hitze war bereits wieder enorm. Sofort bestand die Gefahr, daß das Material und die Lebensmittel verderben. Deshalb mußten wir die Kisten jeden Morgen wieder abladen und sie in die einige hundert Meter entfernten Nuba-Häuser bringen, eine schwere und mühevolle Arbeit.
      Selbst die Nuba, die sich nie von uns trennen wollten, rieten uns zu, abzufahren. Schweren Herzens bereiteten wir uns darauf vor, wollten aber noch am Abend vorher ein kleines Fest veranstalten. Alipo sollte zwei Ziegen und möglichst viele Hühner besorgen.
      Das Abschiedsfest, das die Nuba wie auch uns traurig stimmte, weil keiner von uns wußte, ob wir wiederkommen könnten, verlief dennoch heiter und fröhlich. So zahlreich kamen unsere Gäste, daß es bald keine Ecke in und vor unserer notdürftig wieder hergestellten Rakoba gab. Nicht nur wir waren die Gebenden, die Nuba schenkten uns Schalen mit Erdnüssen und Marisse, die sie freigiebig verteilten. Die Mütter brachten auch ihre kleinsten Kinder mit. An den Tonbändern mit ihren Liedern und den Erinnerungen an die Ringkampffeste konnten sie sich nicht satt hören.
      Es war schon spät, als uns die letzten verließen. Horst und ich fanden kaum Zeit zum Schlafen. Wir verbrachten die Nacht mit Packen und überlegten im einzelnen, wie wir unsere Hinterlassenschaft am gerechtesten unter unsere Nuba-Freunde verteilten. Eifersucht sollte bei keinem aufkommen. Jede Kleinigkeit war für sie von Wert, jeder Nagel, jedes Stück Holz, jede leere Konservenbüchse, all das war heiß begehrt, obgleich sie nicht darum bettelten. Wir wollten aber auch Werkzeug, Säge und andere Geräte, auch Taschenlampen und Batterien verteilen, dazu Zucker und Tee, Petroleumlampen und Wasserkanister. Nicht weniger begehrt waren Medikamente, Verbandszeug, Salben, Wundpuder, Leukoplast und nicht zuletzt Hustenbonbons. Am wertvollsten für sie waren unsere von ihnen gebauten Rakobas. Hier war nicht viel zu überlegen. Wir hatten vier Hüttenkomplexe, und vier Familien hatten sie mit besonderem Einsatz erbaut, jede sollte eines dieser Strohhäuser bekommen.
      Als erster erschien noch vor Sonnenaufgang Alipo, ihm folgten Natu, Tukami und Notti. Es war noch nicht richtig Tag, als sich immer mehr Nuba um unsere Rekoba und unseren Wagen versammelten. Sie kamen aus den benachbarten Bergen, aus Tossari, Taballa, Tomeluba. Im Gegensatz zum Abend vorher waren sie jetzt ruhig, ihre Gesichter wirkten bedrückt. Natu und Alipo übernahmen es, unsere Habe zu verteilen, und wie wir schon vermutet hatten, kam es zu keinem Streit Wir konnten uns kaum noch einen Weg zu unserem Wagen bahnen.
      Vorsichtig fuhr Horst den Landrover an, denn vor und neben ihm drängten sich Hunderte von Nuba, die dem Wagen hinterherliefen. Ein jeder wollte uns noch einmal die Hand

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